1503 - Die Nacht der Bestien
gezogen. Als das Jammern leiser wurde, da wusste er, dass auch Camilla draußen lag und dem Werwolf ausgeliefert war.
Wie ging es weiter?
Er war der Letzte. Würde ihn der Werwolf auch aus dem Wagen ziehen oder seine wehrlose Lage ausnutzen und ihn töten?
Doch die Bestie blieb bei ihrem Plan.
Jetzt spürte auch Johnny die beiden Pranken, die sich regelrecht an seinen Schultern festhakten. Sie zogen ihn hoch. Er spürte erste Schmerzen, die durch seinen Körper zuckten, dann geriet er in eine Rückenlage, wurde durch die offene Tür gezerrt und zu Boden geworfen.
Er landete rücklings auf dem Boden, hielt dabei die Luft an, weil erneut Schmerzen durch seinen Körper rasten. Doch er lebte.
Johnny atmete wieder normal. Beim Luftholen stach etwas in seinem Brustkorb. Er hatte sich beim Kippen des Wagens hart am Lenkrad gestoßen, doch daran wollte er jetzt nicht denken. Es musste weitergehen.
Er bewegte auf dem Rücken liegend den Kopf, weil er Geräusche gehört hatte. Der Werwolf war zur Seite gegangen und drehte seinen Opfern den breiten Rücken zu. Er tat noch nichts. Ein paar Schritte entfernt stand er und lauschte in die Dunkelheit hinein.
Wie ein großer Klumpen hob er sich davor ab. Eine düstere Gestalt, die einem Menschen Furcht einjagen konnte, selbst dann, wenn sie ihn nicht anschaute.
Wenn der Werwolf nicht wollte, dann kamen sie hier nicht weg. Dieses Untier musste schon bezwungen werden, aber es stellte sich die Frage, wie das zu schaffen war. Es gab keine Waffe in der Nähe, mit der man es hätte vernichten können.
Von den beiden jungen Frauen war nichts zu hören. Johnny riskierte es und richtete sich auf. Der Werwolf unternahm nichts. Er schaute sich nicht mal um. Er starrte weiterhin in die Dunkelheit wie jemand, der etwas Bestimmtes wittert.
Möglichweise wartete er auf einen Artgenossen. Johnny traute ihm jetzt alles zu, doch er wollte auch sehen, wie es seinen Freunden ging.
Jenny und Camilla lagen auf dem feuchten Boden. Nicht so Robby Coleman.
Er hockte neben dem Polo und benutzte ihn als Rückenstütze.
Als Johnnys Blick ihn traf, schüttelte Robby den Kopf. In seinem Gesicht hatten Tränen Spuren hinterlassen, und als er seine Lippen bewegte, um zu sprechen, war er kaum zu verstehen.
»Der killt uns alle. Der will uns fressen. Der bringt uns alle um. Ich will aber nicht sterben!«, greinte er.
»Okay, ich auch nicht. Noch leben wir. Und solange wir leben, gibt es noch Hoffnung.«
»Für mich nicht.«
»Doch! Du musst nur daran glauben, verflucht noch mal!«
»Nein, nein - und ich hatte recht«, jammerte er. »Ich wollte gar nicht mit, verdammt. Wäre Camilla nicht gekommen und hätte mich überredet, säße ich jetzt zu Hause. Scheiße, diese Wanderung. In zwei Tagen liegen wir unter dem Torf.«
»So rechne ich nicht.«
»Hast du gesehen, was er mit dem Mann gemacht hat, der auf ihn schoss?«
»Nein. Hat er ihn denn getroffen?«
»Klar, zweimal. In die Brust und ins Gesicht. Aber er ist nicht tot. Dafür der Schütze. Er wurde umgebracht. Der verdammte Wolf hat ihn zerbissen, und ich musste dabei zuschauen. Ich habe sogar das Blut spritzen sehen. Die Bestie kann man nicht besiegen. Das ist einfach unmöglich.«
Johnny schwieg. Er konnte Robby verstehen. Zuzusehen, wie jemand auf grausame Art und Weise umgebracht wurde, war nur schwer zu verkraften.
Johnny sah aus seiner Position den Ort des Mordes nicht, was ihn nicht weiter störte.
Die Angst blieb, auch wenn der Werwolf sie nicht mehr unmittelbar bedrohte. Er drehte ihnen noch den Rücken zu. Wie lange das so bleiben würde, war fraglich.
Aber wieso?, fragte sich Johnny. Wieso konnte der Werwolf in dieser Gegend ungehindert sein Unwesen treiben? Auf diese Frage wusste er keine Antwort. Es gab eine, es gab immer Antworten, nur kannte er sie nicht. Da musste er leider passen.
Er schaute nach rechts. Dort lag Jenny auf dem Boden. Nicht weit von ihr Camilla. Die hatte sich auf die Seite gedreht und das Gesicht in der Armbeuge verborgen.
Johnny überlegte, was er tun konnte. Es gab vielleicht eine Möglichkeit, die Bestie wegzulocken. Das konnte er in die Wege leiten. Aufstehen und losrennen, sodass sich der Werwolf gezwungen sah, die Verfolgung aufzunehmen.
Dann lockte er das Untier von seinen Freunden weg, sodass sie aufstehen und fliehen konnten.
Noch war die Gelegenheit günstig. Der Wolf schien sich im Moment nicht für seine Opfer zu interessieren. Er schaute immer noch über das vom Mond erhellte Feld, als
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