1503 - Die Nacht der Bestien
den verdammten Werwolf als ein wirkliches Untier bezeichnen, das Johnny verfolgt und letztendlich auch gestellt hatte. Es war hauchdünn gewesen, aber ich musste mir auch eingestehen, dass es nicht unser Auftauchen gewesen war, das Johnny gerettet hatte. Ein oder auch zwei Bisse hätte die Bestie ganz sicher noch ansetzen können, und damit wäre der Keim gelegt worden.
Etwas anderes hatte die Horrorgestalt vertrieben, und genau darüber dachte ich nach. Wir waren sehr schnell gelaufen, wir hatten unseren eigenen Atem gehört, unser wildes Keuchen, aber auch noch ein anderes Geräusch, und daran dachte ich jetzt.
Die schrillen Pfiffe!
Für uns waren sie nicht sehr laut gewesen. Anders für die Bestie. Der Werwolf hatte sie gehört, und er hatte entsprechend reagiert. Er hatte von seinem Vorhaben abgelassen, plötzlich die Flucht ergriffen und war in die Dunkelheit des Waldrands getaucht.
Genauso war es gewesen.
Warum? Warum, zum Teufel, hatte die Bestie ihre Chance nicht genutzt und ein weiteres Opfer geschlagen?
Auf diese Frage wusste ich keine Antwort, aber es war verdammt wichtig, eine zu bekommen. Und vielleicht konnte sie mir Johnny sogar geben.
Er wurde noch immer von seinem Vater umarmt. Jeder von ihnen sprach, aber keiner wusste so recht, was der andere sagte. Ihre Gefühl quollen förmlich über. Wer dem Tod im letzten Augenblick von der Schippe gesprungen war, bei dem dauerte es etwas, bis er sich wieder in der Normalität zurechtfand.
Bill drückte seinen Sohn zurück, der über sein Haar wischte und mich dann anschaute.
»Alles klar?«, fragte ich.
»Für mich schon.«
»Ja, du hast uns erzählt, dass du mit Freunden einen Mondspaziergang machen wolltest.«
»Aber wie kommt ihr hierher?«
Ich winkte ab. »Das ist eine längere Geschichte. Ich denke, dass wir sie dir später erzählen. Zuerst einmal ist uns der verdammte Werwolf entwischt. Wie sieht es sonst aus?«
»Nicht gut.«
»Warum?«
»Er hat einen Mann getötet.« Jetzt fragte Bill: »War er schon älter?«
»Ja, das kann man sagen.« Johnny gab eine knappe Beschreibung. Er brauchte sie nicht zu Ende zu bringen, wir wussten bereits nach wenigen Worten Bescheid, und Bill sprach den Namen aus.
»Das ist Marc Hunter.«
»Und wer ist das?«, fragte Johnny.
»Der Vater der Bestie.«
Diese Antwort machte den jungen Conolly sprachlos. Er hob nur die Arme, und Bill hielt mit einer Erklärung nicht zurück. Zum Schluss sagte er: »Da hat der gute Marc Hunter seinen eigenen Sohn vernichten wollen und ist dabei selbst ums Leben gekommen.«
Johnny schüttelte den Kopf. »Aber wie konnte dieser Marvin denn zum Werwolf werden?«
Ich konnte nur mühsam ein Lachen unterdrücken.
»Das ist recht leicht gesagt. Es gibt eine Werwölfin, die bei ihm den Keim einpflanzte. Sie heißt Morgana Layton und…«
»Der Name sagt mir doch was.«
»Eben, Johnny.« Ich nickte ihm zu. »Unsere alte Freundin Morgana, die es wohl geschafft hat, dem Ort ihrer Verbannung zu entfliehen. Keiner von uns weiß genau, wie sie aus der Vampirwelt entkommen ist, aber sie ist es. Denn warum sollte Marc Hunter gelogen haben?«
Johnny nickte und murmelte: »Ja, warum sollte er?«
Ich kam auf ein anderes Thema zu sprechen. »Du bist nicht allein hier gewesen. Wo befinden sich deine drei Freunde?«
Johnny deutete nach vorn. Wir erfuhren, welchen Plan er gehabt hatte, um zumindest seinen Freunden die Chance zu geben, ihr Leben zu retten.
»Hoffentlich ist die Bestie nicht wieder zu ihnen gelaufen«, flüsterte Johnny.
»Das glaube ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Sie ist geflohen. Man hat sie durch den Pfiff gewarnt. Und dieser Warner wusste, dass Feinde in der Nähe waren. Wäre sie noch einige Sekunden länger bei dir geblieben, dann wären wir auf Schussweite heran gewesen, und das wäre für sie tödlich ausgegangen.«
»Und wer hat sie gewarnt?«
Ich breitete meine Arme aus wie ein Priester, der seinen Segen geben wollte. »Man kann nur raten, aber es ist nicht schwer. Wir müssen davon ausgehen, dass sich Morgana Layton hier in der Umgebung aufhält. Sie kennt deinen Vater und mich und weiß deshalb, wozu wir fähig sind. Das ist meine Überzeugung.«
Johnny nickte. Er wollte seinen Vater etwas fragen. Bill stand ein wenig abseits und telefonierte. Sicherlich rief er Sheila an, die zu Hause bestimmt auf heißen Kohlen saß.
»He, Dad…«
»Moment.« Bill hob den rechten Arm und wies damit in Johnnys Richtung. »Ist es Mum?«
»Ja, sie möchte ein paar
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