1503 - Die Nacht der Bestien
gäbe es dort etwas Besonderes zu beobachten.
Auch Johnny blickte hin, sah aber nichts.
Soweit er festgestellt hatte, war es ihm möglich, sich normal zu bewegen. Mit seinen Beinen war alles in Ordnung. Er konnte also laufen.
Weit war der Wald nicht entfernt. Dort hatte er vielleicht eine Chance, und danach würde er vielleicht die normale Straße finden, die in die ersten Vororte von Kingston führte.
Die Schmerzen in der Brust erschwerten ihm das Atmen, aber das war nicht zu ändern. Damit musste er sich abfinden.
Noch wandte die Bestie ihm den Rücken zu, und so richtete er sich langsam auf. Er gelangte in die Hocke und hörte rechts von sich ein leises Zischen, das Jenny ausgestoßen hatte, weil sie sah, was er vorhatte.
»He!«, flüsterte sie.
Johnny schaute erst zu Robby. Der sagte nichts. Er hatte auch nichts gesehen, hielt den Kopf gesenkt und schüttelte ihn, während er zu Boden starrte.
»Was ist mit dir?«, fragte Jenny.
»Ich haue ab!«
Jenny erschrak und presste ihre Hand gegen die Lippen. In ihren Augen stand zu lesen, was sie dachte, und Johnny erläuterte ihr mit Flüsterstimme seinen Plan.
»Ich renne weg. Er wird mich verfolgen. Dann habt ihr die Chance, die Flucht zu ergreifen.«
»Das ist Wahnsinn, Johnny!«
»Ja, ich weiß. Aber es gibt keine andere Möglichkeit.«
»Und wenn er dich kriegt?«
»Egal, denk nicht darüber nach. Haut einfach ab. Und ihr müsst sofort reagieren, wenn er sich auf die Verfolgung macht. Er kann sich nur um einen kümmern, nicht um vier Leute gleichzeitig, wenn sie in Bewegung sind.«
Jenny sagte nichts mehr. Das war bei ihrem losen Mundwerk selten.
Aber keiner von ihnen hätte gedacht, dass ihr Moon Walking so enden würde.
Johnny erhob sich.
Noch hatte er Glück, weil die Bestie weiterhin witternd über das Feld schaute.
Der junge Conolly hatte nun eine bessere Sicht. Für einen Moment schlug sein Herz schneller, als er den Mann am Boden liegen sah.
Daneben lag das Gewehr, das dieser Mensch nie mehr in seine Hände nehmen würde, weil er es nicht mehr konnte. Im Mondlicht war deutlich zu sehen, auf welch grausame Weise er umgebracht worden war.
Johnny zog sich zurück. Er musste achtgeben, dass er nicht gegen den Polo stieß und ein verräterisches Geräusch verursachte. Die Sinne der Bestie waren gespannt, und er hörte besser als die Menschen. Schon das leiseste Geräusch konnte Johnnys Plan zunichte machen.
Dann setzte Johnny alles auf eine Karte. Er hatte jetzt freie Bahn, warf sich herum und rannte los. Ab nun konnte er keine Rücksicht mehr auf irgendwelche Geräusche nehmen, jetzt galt nur noch eins: So schnell wie möglich von hier wegzukommen.
Und Johnny rannte um sein Leben!
Bill und ich waren unterwegs. Die Schüsse hatten wir gehört. Die Richtung war uns ebenfalls bekannt.
Bill, der mit mir gut Schritt hielt, keuchte: »Wenn Johnny was passiert ist, dann…«
»Vielleicht hat er geschossen.«
»Wieso denn?«
»Er kann sich eine Waffe besorgt haben.«
Bill schwieg. Ich sagte ebenfalls nichts mehr. Eine Unterhaltung störte beim Laufen nur, und das wollten wir nicht. Wir mussten so schnell wie möglich unser Ziel erreichen.
Es gab keinen dritten Schuss, an dem wir uns hätten orientieren können.
Mir fiel ein, dass dieses schnelle Laufen uns nicht weiterbrachte.
Ich lief aus, stand dann mitten in der Landschaft und hörte neben mir Bills Keuchen.
»Und was ist jetzt?«
Ich schüttelte den Kopf. »So kommen wir nicht weiter. Uns hängt die Zunge aus dem Hals, und gefunden haben wir bisher nichts.«
»Sollen wir uns trennen?«
»Das wäre die letzte Möglichkeit.«
»Wir können ja in Verbindung bleiben«, sagte Bill.
Ich wollte ihm eine Antwort geben, aber etwas erregte meine Aufmerksamkeit und ließ mich meinen Vorsatz vergessen. Ich sah eine Bewegung weit vor uns auf dem Feld. Etwas nach links versetzt bewegte sich eine Gestalt.
Nein, nicht nur eine. Dahinter gab es noch eine zweite. Und die rannte hinter der ersten her. Waren das Verfolgter und Verfolger?
Nach drei Sekunden stand mein Plan fest. Bill hatte in die andere Richtung geschaut und war überrascht, als ich plötzlich startete »Was ist denn?«
»Komm mit! Ich glaube, wir haben ihn!«
***
Johnny Conolly hatte sich nicht umgeschaut. Das wäre auch nicht nötig gewesen, denn er wusste genau, dass der Werwolf etwas bemerkt hatte und ihm auf den Fersen war.
Jetzt kam es darauf an, wer schneller war. Johnny glaubte nur bedingt daran, dass er der Bestie
Weitere Kostenlose Bücher