1504 - Mordgeschichten
meinem neuen Roman sind die Leute zusammengekommen, um von der Apokalypse zu erfahren, die Aaron ihnen bringen wird. Und das tut er auch…«
»Dann müsste er ja hier sein!«, schrie jemand. »Und ob!«
»Wieso? Ist er hier?«
»Ja, hinter euch!«
Das hatten wir alles gehört, aber noch sahen wir keinen Grund, einzugreifen.
Doch die Lage änderte sich, denn im Hintergrund des Zimmers sahen wir eine Bewegung.
Noch war nicht genau zu erkennen, was dort ablief. Aber es konzentrierte sich auf eine Stelle, und da die Zuhörer jetzt standen und sich umdrehten, waren auch sie in der Lage, dies zu erkennen.
Ein heller Schrei durchschnitt die Stille.
Ihm folgte eine Stimme, die genau das sagte, was alle zu sehen bekamen.
»Das ist er! Verdammt, das ist er! Das ist Aaron, der Killer…«
***
Genau damit hatte der Sprecher ins Schwarze getroffen. Er hielt sich an der Wand auf, die im Schatten einiger Bücherregale lag. Man konnte ihn nicht genau beschreiben, man konnte ihm auch nichts Menschliches andichten, er war so etwas wie ein Neutrum, und er hielt sich unter einer Kutte versteckt.
Das sahen Suko und ich durch den Türspalt, ohne dass wir bisher von ihm entdeckt worden wären.
»Der Wahnsinn hat Methode, John. Dieser Raven weiß, wie er seine Zuhörer schocken kann.«
Ich warnte ihn. »Nimm das nicht auf die leichte Schulter. Ich glaube nicht, dass sich dort jemand verkleidet hat. Diese Gestalt ist echt. Sie muss es einfach sein, nach all dem, was wir erlebt haben.«
»Du, nicht ich.«
»Stimmt auch wieder.«
Vor uns waren die Stimmen verstummt. In der vergangenen kurzen Zeitspanne mussten die Zuhörer erkennen, dass der Autor sie nicht angelogen hatte. Seine Romanfigur gab es wirklich. Und sie bewegte sich genau so, wie es auch in den Geschichten der Fall war. Es war kein Laut zu hören, als sie sich der Gruppe näherte.
Eine Kutte. Eine Kapuze, die vorn offen war, gehörte dazu. In ihrem Ausschnitt hätte man das Gesicht des Killers erkennen müssen, doch das war nicht vorhanden. So sehr sich jeder auch anstrengte, der diese Gestalt anschaute, es gab kein Gesicht zu sehen, sondern nur eine dunkle Fläche, in der sich nicht mal Augen abmalten. Von einer Nase oder einem Mund gar nicht zu reden.
Es war sehr still geworden. In einer Szene wie dieser hielten die Menschen den Atem an. Sie sahen jetzt, dass etwas Unheimliches auf sie zukam, aber sie würden es nicht fassen können, denn alles, was sie von Aaron wussten, war Theorie.
Jetzt nicht mehr.
Er schob sich weiter vor. Und es war wirklich kein Laut zu hören. Er war der lautlose Töter, der böse Engel, der nicht mal Waffen benötigte, um andere Menschen umzubringen.
Und er strahlte etwas aus, das nicht von dieser Welt war. Das konnte ich so behaupten, denn einem solchen dämonischen Wesen stand ich nicht zum ersten Mal gegenüber. So gab es für mich auch keinen Zweifel daran, dass diese Gestalt echt war. Da konnte man nicht von einem Menschen sprechen, der sich nur verkleidet hatte.
Da ich mich auf die Gestalt konzentrierte, übernahm Suko es, die Tür weiter zu öffnen. So wurde unsere Sicht noch besser, und es hinderte uns nichts daran, einzugreifen.
Ich sah ihn nicht nur, ich spürte ihn auch. Das Kreuz hing vor meiner Brust, und es gab mir eine bestimmte Warnung. Die Wärme wellen breiteten sich aus. Damit war der letzte Beweis erbracht, dass wir es hier mit einem schwarzmagischen Vorgang zu tun hatten.
Ich deutete mit dem Finger auf meine Brust und gab Suko so ein Zeichen, dass ich gewarnt worden war.
»Greifen wir ein?«, hauchte er.
»Noch nicht.«
»Und was könnte er vorhaben?«
»Es gibt ein viertes Buch. Der endgültige Beginn der Apokalypse. Ich denke mir, dass er deshalb gekommen ist und mit diesen Menschen hier den Anfang machen will.«
»Und er ist einer, der nicht an die normalen Grenzen gebunden ist, John. Da hinten gibt es keine Tür, und er ist trotzdem erschienen. Dann muss er sich materialisiert haben.«
Ich nickte.
»Wie ein Engel«, sagte Suko.
»Den Ausdruck möchte ich vermeiden.« Für mich waren die Engel noch immer Wesen, die auf der positiven Seite standen, obwohl ich oft genug das Gegenteil erlebt hatte, denn die Hölle hatte auch Engel um sich versammelt, die wir allerdings als Dämonen ansahen.
Es lag noch immer eine tiefe Stille in dem Raum vor uns. Nur die Atemzüge der Menschen waren zu hören. Hin und wieder auch ein Stöhnen. Die acht Besucher mussten erst mal mit dem fertig werden, was sie sahen,
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