1504 - Mordgeschichten
und diesen unheimlichen Auftritt verkraften.
Aaron wusste genau, wohin er zu gehen hatte. Sein Auftritt sah aus, als hätte er ihn zuvor geprobt. Er blieb zwischen dem Autor und seinen Zuhörern stehen, ohne etwas zu tun. Allein seine Präsenz reichte aus, um den Atem stocken zu lassen.
Da noch nichts Lebensbedrohendes passiert war, hielten auch wir uns zurück. Es war vom Beginn der Apokalypse gesprochen worden, und wir waren gespannt darauf, wie sie fortgesetzt wurde.
Mike Raven übernahm die Regie. Er hob beide Arme an. Für mich war er eine fast lächerliche Gestalt. Oder ein mieser Typ ohne Charisma, der von der Natur nicht eben mit besonderen Gaben gesegnet worden war.
Im Schutz des bösen Engels allerdings schien er um einiges gewachsen zu sein, und er zog durch seine Geste die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich.
»Er ist da - endlich. Und er weiß, dass ich euch ihm besorgt habe. Denn mit euch wird er die Apokalypse beginnen. Er wird eine Spur des Todes hinterlassen. Er wird euch beweisen, dass die andere Seite mächtiger ist als ihr. Der Reihe nach wird er sich euch holen, und es ist an euch, wen ihr zuerst schicken wollt. So steht es in meinem Buch. Genau diese Szene ist der Einstieg. Das erfährt der Leser erst später, aber schon jetzt wird die Schrift zur Wahrheit. Ich weiß, wen er sich als erstes Opfer holen wird, aber ich behalte es noch für mich. Ihr werdet der Reihe nach in seine Gewalt geraten und werdet den bösen Engel als einen perfekten Killer erleben…«
Derartige Drohungen waren Suko und mir nicht unbekannt. So lange Mike Raven sprach, würde nichts weiter passieren. Genau das nutzten Suko und ich aus. Wir flüsterten miteinander und stimmten somit unsere Pläne ab.
Ich wollte mich um den Autor kümmern. Suko sollte dafür sorgen, dass den Besuchern nichts geschah. Wenn eben möglich, sollte er sie aus dem Haus schaffen.
Er war einverstanden.
Im Moment warteten wir noch auf den Zeitpunkt für ein perfektes Eingreifen, verbunden mit der entsprechenden Überraschung, denn dieser Moment musste auf unserer Seite sein.
»Du!«
Das eine Wort knallte wie ein Peitschenschlag.
Mike Raven hatte es gerufen und zugleich seinen rechten Arm ausgestreckt. Die Hand wies auf einen der Zuhörer. Es war ein junger Mann, der sich zu den Grufties hingezogen fühlte. Jedenfalls trug er einen langen schwarzen Mantel und darunter ebenfalls schwarze Kleidung.
Seine Haare standen als Kamm hoch, sie waren ebenfalls schwarz und glänzten. Da er sich noch mit irgendwelchem Schmuck behängt hatte, sah er wild und fremd aus, aber das war nur Tünche. In Wirklichkeit kämpfte er mit seiner Angst, das sahen wir selbst aus der Entfernung.
Er war gemeint, und er sah keine Chance, seinem Schicksal zu entkommen, denn er konnte sich zu keinem Widerstand aufraffen. Und es war auch zu sehen, dass die anderen Besucher ihm nicht helfen würden.
Ich holte die Beretta hervor. Das Kreuz hatte ich in meine Tasche gesteckt.
Als Suko meine Bewegungen sah, nickte er.
Viel abzusprechen brauchten wir nicht. Hier konnte sich jeder auf den anderen verlassen. Zu oft hatten wir derartige Situationen hinter uns bringen müssen.
»Geh zu ihm! Los, geh zum bösen Engel! Er mag dich besonders. Er wird dir seine Hölle zeigen oder dir die Seele aus dem Leib reißen. Da kannst du wählen…«
Erst jetzt fand der Gruftie seine Sprache wieder. »Nein, das will ich nicht. Es ist alles nur Spaß gewesen, verflucht noch mal. Wir wollten unseren Spaß haben, das war alles. Ich-ich…«
»Hör auf zu jammern. Ich habe es so geschrieben. Es steht in meinem vierten Buch. Es ist der Anfang, und für dich wird es auch das Ende deines menschlichen Daseins sein. Aaron, hol ihn dir!«
Und Aaron gehorchte.
Aber nicht nur er bewegte sich.
Jetzt war ich an der Reihe. Der Zeitpunkt zum Eingreifen war gekommen.
Noch hatte uns niemand entdeckt, selbst Aaron nicht, umso größer würde die Überraschung sein, und genau die brauchten wir.
Ich ging vor, nachdem Suko mir die Tür weiter geöffnet hatte. Ich bewegte mich dabei sehr leise. Ich war nicht zu hören und sah nur Mike Ravens Kopf über die Rückenlehne ragen.
Danach ging alles rasend schnell. Ich packte den völlig überraschten Autor von der Seite her und zerrte ihn über die Seitenlehne des Stuhls hinweg.
Sein überraschter Schrei hörte sich an wie das Quieken eines Ferkels.
Dann hing er in meinem Griff. Mit dem linken Arm hielt ich ihn fest, denn die rechte Hand brauchte ich.
Ich
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