1505 - Dorina, die Friedensstifterin
auf der Farm behalten", sagte Segur, und zu seiner eigenen Überraschung war es ihm jetzt möglich, selbst bei diesem Thema ruhig und sachlich zu bleiben. „Sie ist noch so jung.
In ihrem Alter braucht man seine Eltern. Außerdem würde sie den Sluck vermissen."
„Eure Tochter braucht jetzt in erster Linie eine gründliche Anleitung, wie sie mit ihrem Talent umzugehen hat", erwiderte der Schlichter, aber selbst diese Äußerung wirkte nicht beunruhigend. „Sie könnte sonst sehr leicht etwas anrichten, was sie später bitter zu bereuen hätte. Es wird sich nicht umgehen lassen, daß sie zunächst für einige Zeit in der Schule bleiben und dort leben muß. Was den Sluck betrifft, so wird die Trennung für ihn schmerzhafter sein als für Dorina. Wie gut könnt ihr euch mit ihm verständigen?"
„Wir haben einiges von Dorina gelernt", sagte Warna. „Aber er wird uns sicher nicht als gleichwertig betrachten."
„Wie alt ist das Tier?"
„Sie sind fast gleichaltrig."
„In Freiheit geboren?"
„Ja."
„Dann wird er sich draußen zu trösten wissen. Behandelt ihn trotzdem in der nächsten Zeit besonders liebevoll und habt Verständnis für ihn, wenn er gelegentlich ein wenig aggressiv reagiert. Er meint das nicht so. Er hat nur keine andere Möglichkeit, seinen Schmerz zum Ausdruck zu bringen, und er würde es nicht verstehen, wenn ihr ihn für diesen Schmerz auch noch bestrafen wolltet."
„Vielleicht kann Dorina es ihm sogar erklären", meinte Segur hoffnungsvoll. „Nein", sagte der Schlichter. „Eure Tochter mag genial sein, aber das könnte sie nicht. Niemand könnte es. Ein Sluck ist nicht imstande, abstrakte Begriffe wie zum Beispiel Zeitangaben zu begreifen.
Außerdem wird Dorina vorerst nicht auf die Farm zurückkehren. Ihr könnt ihr ihre Sachen nachschicken. Bis dahin wird die Schule einspringen."
Es gefiel ihnen nicht. Es tat ihnen sogar weh. Und trotzdem protestierten sie nicht. Sie vertrauten ihm.
Denn er war ein sehr guter Schlichter.
*
Hajmayur, 329. Lektion Der Meister fragte: „Was sind die Formen der Sprache?"
Die Schülerin antwortete: „Es gibt viele denkbare Formen von Sprache. Die Verständigung mit Hilfe von Lauten ist nur eine unter vielen Möglichkeiten und basiert auf der Wahrnehmung von akustischen Reizen. Sprache kann aber ebensogut auf der Basis von anderen Sinneswahrnehmungen stattfinden, zum Beispiel in Form von optischen Signalen, Gerüchen, Berührungen, Bewegungen oder auf dem Umweg über Sinne, von deren Existenz wir nichts wissen."
*
Hajmayur Dies war also Hajmayur, die Schule - dieser schreckliche Ort, dem sie unbedingt hatte ausweichen wollen.
Sie saß im Gleiter und blickte hinaus. Sie konnte noch immer nicht glauben, daß sie jetzt hier war, anstatt bei ihren Eltern zu sein und den Rückflug zur Farm zu genießen.
Unfaßbar, wie schnell das alles gegangen war.
Noch unbegreiflicher, daß es ihr diesmal nicht gelungen war, es zu verhindern.
Es lag daran, daß sie diese Sache zunächst nicht ernst genommen hatte. Natürlich hatte sie erfahren, daß sich etwas über ihr zusammenbraute, und ihr erster Impuls bestand darin, daß sie beschloß, ihre Eltern umzustimmen. Das hatte sie schon oft getan, und sie hatte inzwischen viel Übung darin. Aber dann hatte sie es doch nicht gewagt.
Sie hatte den Brief gelesen. Sie wußte, daß man der Angelegenheit nachgehen würde. Und so hatte sie beschlossen, zum Schein auf das Spiel einzugehen.
Was konnte denn schon passieren?
Sie war in das Zimmer des Schlichters gegangen - allein. Zu ihrer Erleichterung hatte sie es nicht einmal nötig gehabt, einen Trick anzuwenden, um dies zu erreichen: Der Schlichter selbst hatte ausdrücklich verlangt, daß Dorinas Eltern zunächst draußen warten sollten.
Schlichter!
Sie hatte sich sonstwas darunter vorgestellt, aber es war nur ein ganz normaler Linguide, der in dem fremden Zimmer auf sie wartete. Sie hatte ihn angesehen, und da waren all die kleinen Zeichen gewesen, die sie mittlerweile so genau studiert hatte.
Dorina wußte noch nicht, wie es funktionierte, aber das änderte nichts an der Tatsache, daß sie es tun konnte.
Es würde ein Kinderspiel sein, diesen Schlichter davon zu überzeugen, daß es völlig unnötig war, Dorina Vaccer in eine Schule zu sperren.
Sie fing auch gleich damit an.
Und dann sagte der Schlichter: „Diesmal nicht, Dorina. Damit ist es für einige Zeit vorbei!"
Danach hatte er sie in ein anderes Zimmer geschickt, und sie hatte
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