1511 - Der letzte Engel
mir galten, und ich habe sie erhört. Ich komme aus einer Welt, nach der ihr euch sehnt, aber es ist nicht das Jenseits, das ihr vielleicht erwartet habt, es ist eine andere Dimension, in der sich Engel und Dämonen versammelt und vereinigt haben, um auf die Menschen zu schauen. Aber ich sage euch gleich, ihr habt den Richtigen gerufen, denn ich halte mich nahe am Tod auf, und diese Sehnsucht nach dem Tod spürt auch ihr tief in eurem Innern.«
Er lachte blökend auf. »So habe ich euer Flehen erhört und werde eure Wünsche erfüllen. Wisst ihr denn, wie man mich nennt? Ich bin der Menschenhasser. Ja, ich hasse euch Menschen. Ich habe versucht, so zu werden wie ihr, aber es ist mir nicht gelungen. Und deshalb sehe ich die Menschen lieber im Jenseits als im Diesseits. Ich weiß nicht genau, wie ihr seid, aber es passt. Ich sehe euer Zusammentreffen als wunderbar an, denn so kann ich die meisten von euch in die Hölle schicken. Nicht alle, glaube ich, aber ich kann mich auch irren. Auf diesem Schiff ist eure Todesstunde gekommen, und genau so habe ich es mir immer vorgestellt.«
Er fing an zu lachen, was er aber schnell wieder einstellte und dann weitersprach.
»Es gibt nur ein Problem«, drang es aus der dunklen Masse hervor, die sich dabei so bewegte wie ein Mensch, der sich umschaute. »Ja, ein Problem, denn ich spüre, dass sich zwischen euch ein Verräter befindet. Einer von euch gehört nicht zu dieser Gruppe. Einer ist falsch und spielt nicht ehrlich…«
Mit dem Unehrlichen konnte nur ich gemeint sein.
Noch war ich nicht aufgefallen, weil sich die meisten Gäste mit sich selbst beschäftigten oder sich gegenseitig anschauten. Lange würde es nicht dauern, bis man merkte, dass ich nicht zu ihnen gehörte. Ich hatte mich zwischen sie schleichen können und stand jetzt sogar in der Nähe des Menschenhassers.
Er spürte mich nicht, sondern mein Kreuz. Es gab keine andere Erklärung. Die Ausstrahlung des Kreuzes war nicht an ihm vorbeigegangen, und es musste ihn verunsichert haben.
Ich dachte darüber nach, ob ich mich ihm zeigen sollte, aber meine Überlegungen wurden von seiner Stimme unterbrochen, als er über den Tod der Menschen sprach.
»Wenn es unter euch einen Verräter gibt, so soll er mit euch zur Hölle fahren. Er ist nicht unsterblich, denn ich bin erschienen, um auch ihn zu zerfetzen. Es gibt keine Chance für ihn, denn ich habe mich in eine lebende Bombe verwandelt. An mir versteckt befindet sich genug Sprengstoff, um das Schiff und all seine Passagiere in die Luft zu jagen. Nur Fetzen werden von euch übrig bleiben, denn so werde ich euch zur Hölle schicken!«
Ich wusste nicht, mit welchen Vorstellungen die Gäste auf das Schiff gekommen waren, aber ich fragte mich, ob sie tatsächlich alle sterben wollten oder nur scharf darauf waren, einen Kick zu erleben?
Eher die letzte Möglichkeit traf zu, denn nach Blakes Worten hatte sich ein neuer Gast unter die Menschen hier auf dem Schiff gemischt.
Es war die Angst!
Ja, ich spürte sie und ich sah sie auch. Sie zeichnete sich auf den Gesichtern ab, und wenn man Angst riechen kann, so erlebte ich das in meiner unmittelbaren Nähe.
Ich sah auch noch etwas anderes. Wieder war es eine junge Frau, die zuerst reagierte. Sie zuckte kurz zusammen, dann streckte sie ihren Arm aus und drehte ihn.
Ein Finger zeigte auf mich.
»Das ist er!«, kreischte sie. »Das ist der verdammte Verräter! Ja, ich sehe ihn!«
Und dann war nicht mehr Blake, der Menschenhasser, der Mittelpunkt, sondern ich.
Die Frau mit den grellgrünen Haaren musste nichts mehr hinzufügen. Sie starrte mich an, und ihre Agen waren groß wie Kugeln.
Ich stand plötzlich auf dem Präsentierteller, und für einen Moment wünschte ich mich weit weg. Doch dieses Gefühl schwand schnell dahin, und ich stellte mich dem Problem.
»Ich bin hier, Blake, um dich zurück in die Tiefen der Verdammnis zu stürzen, denn da gehörst du hin, und das für alle Zeiten!«
Nach diesen Worten ging ich auf ihn zu und holte unauffällig mein Kreuz hervor…
***
Hier standen die Gäste dicht an dicht, und das war auch in meiner Umgebung nicht anders. Und doch gab es keinen, der sich mir in den Weg gestellt hätte. Die Überraschung war einfach zu groß. Man machte mir sogar Platz, damit ich näher an das Podium herankam.
Ich hatte nur Augen für Blake.
Ich kam ihm näher, doch ich sah ihn nicht besser. Es war und blieb die schwarze Gestalt, die sich aus dem Rauch, oder was immer es auch gewesen sein
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