1516 - Chaos im Humanidrom
ohne sonderlichen Respekt. „Wir haben uns mit Varonzem und anderen Mitgliedern der Forschungsgruppe zu besprechen", antwortete Paunaro. „Ihr erhaltet Nachricht, sobald eine Entscheidung getroffen worden ist."
Sato Ambush konnte sich einer letzten Warnung nicht enthalten. „Überlegt euch die Sache gut", sagte er, „und seht zu, daß ihr die richtige Entscheidung trefft."
Darauf reagierte weder Willom noch Paunaro. Idinyphe und der Pararealist glitten in den fremdartig ausgestatteten Raum. Die Öffnung in der Wand schloß sich hinter ihnen.
*
Ein halbe Stunde verging. Es wurde kaum gesprochen. Aus dem wenigen, das Idinyphe sagte, ging hervor, daß sie sich Sorgen machte, weil sie die Nakken in eine Zwangslage gebracht hatte. „Nach langen Jahren an Willoms Seite fange ich eben an, ihn und sein Volk zu verstehen", versuchte sie zu erklären. „Ihre Mentalität ist weltenweit verschieden von der deinen." Sato registrierte mit Interesse, daß sie nicht sagte „von der unseren". Idinyphe fuhr fort: „Ihre Moralvorstellungen erscheinen Dir als grotesk. Es gibt welche, die behaupten, die Nakken hätten überhaupt keine Moral. Sie sind aber in Wirklichkeit sehr sensible Wesen. Sie wissen, daß sie anders denken und anders handeln als - sagen wir: normale Intelligenzen. Sie sind sich ihrer Fremdartigkeit bewußt. Aber sie legen Wert darauf, von anderen verstanden zu werden.
Vor allen Dingen sind sie darauf bedacht, daß Nicht-Nakken ihre Handlungen als richtig erkennen - und gerade an diesem Punkt geraten sie in Verwirrung. Denn ›richtig‹ ist zum Teil auch ein moralischer Begriff, und die Moral anderer Spezies verstehen sie nicht."
Ihre Worte gaben dem Pararealisten zu denken. Er arbeitete seit Jahren an der Entwicklung einer Methode, die eine einwandfreie Verständigung mit den Nakken erlaubte. Hatte er sich die ganze Mühe umsonst gemacht?
War Idinyphe die Lösung des Problems? Verkörperte sie den Translator, den man brauchte, um mit Nakken ohne Hindernis und Mißverständnisse kommunizieren zu können?
Schließlich öffnete sich die Wand. Draußen schwebte Willom. „Kommt mit mir", sagte er.
Er führte sie weiter den Korridor hinauf. Nach drei weiteren Windungen mündete dieser in eine Halle, in der sich an die dreißig Nakken versammelt hatten. Der große Raum war von eigenwilliger Form. Wie überall im Humanidrom gab es auch hier keine Ecken oder Kanten. Der Boden war wie eine flache Schüssel gestaltet und wölbte sich übergangslos zu den Wänden empor. Diese wiederum begannen in zehn Metern Höhe eine Kuppel zu formen, aus der gelbweißes Licht strömte. „Bleibt hier", forderte Willom den Pararealisten und Idinyphe auf, als sie das Ende des Korridors erreicht hatten.
Er selbst schwebte weiter und mischte sich unter seine Artgenossen. Einer der Nakken löste sich aus der Menge und näherte sich den beiden Wartenden bis auf wenige Meter. „Varonzem", flüsterte Idinyphe.
Es war totenstill in der Halle. Der Nakk ließ sich Zeit. Eine Minute verstrich, ehe er zu sprechen begann. „Das Volk der Nakken ist seit nahezu ewigen Zeiten auf der Suche nach der Superintelligenz, die ihr ES nennt.
Diesen Auftrag erhielten ursprünglich viele Völker der Galaxis Hangay, aber er geriet im Lauf der Jahrtausende in Vergessenheit. Nur die Nakken erinnerten sich noch daran, was ESTARTU ihnen aufgetragen hatte, und fuhren fort zu suchen. Die Nakken waren nämlich mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet, die es ihnen ermöglichten, ohne Zuhilfenahme technischen Geräts den Hyperraum zu durchforschen. Der Hyperraum aber ist der wahre Wohnsitz der Superintelligenzen.
Unsere Suche war lange Zeit erfolglos. Da wurde Hangay über die Grenze zwischen den Kosmen hinweg in euer Universum versetzt, und an dem Tag, an dem das letzte Viertel von Hangay materialisierte, war erstmals wieder von dem Überwesen zu hören. Wir selbst hatten die Suche gemäß unserem Auftrag bis dahin mit Eifer betrieben, aber die Hoffnung auf Erfolg längst aufgegeben. Jetzt plötzlich zeigte sich eine Spur der Superintelligenz. Leider war sie nicht von Dauer. ES verschwand so plötzlich, wie es aufgetaucht war.
ESTARTU war ebenfalls verschwunden. Wir konnte sie nicht fragen, ob wir des Auftrags entbunden seien oder nicht. Also setzten wir die Suche fort. Wir wußten jetzt, daß ES sich oft in diesem Universum zeigte.
ES betrachtete die Galaxien der Lokalen Gruppe, zu der von nun an auch Hangay gehörte, als seine
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