1518 - Sukos Albtraum
Fahrzeug war einfach nicht zu übersehen. Suko brauchte nur einen Ort, wo er nicht gesehen wurde, um die Krone aufzusetzen.
Er fand ihn in einer Gasse zwischen zwei eng zusammenstehenden Wagen. Sekunden später war er nicht mehr zu sehen. Nur wer genau hinschaute, hätte seine Schritte verfolgen können, denn in bestimmten Abständen wurde das Gras platt getreten.
Lange brauchte Suko nicht zu suchen. Der eiförmigen Wagen stand sogar recht separat, als wollte sein Besitzer zeigen, dass er mit dem übrigen Volk nichts zu tun hatte.
Suko spürte alles. Den auffrischenden Wind, der gegen ihn wehte. Er nahm die Stimmen ebenso wahr wie die Gerüche, und er spürte auch instinktiv die Spannung, die sich über das Gelände gelegt hatte. Die letzte halbe Stunde war angebrochen, es würde bald losgehen, und Suko schlich an den Wagen heran, bevor er ihn umkreiste.
Das Ei hatte zwei Fenster und eine Tür. Die Fenster befanden sich an den beiden Seiten und lagen nicht besonders hoch, sodass Suko hindurchschauen konnte.
Es wäre ihm auch gelungen, wenn die beiden Scheiben nicht von innen verhängt worden wären. Ai Wei wollte offenbar keine Gaffer haben, die ihn kontrollierten. So fand Suko nicht heraus, ob er sich in diesem Wagen aufhielt oder nicht.
Seine Neugierde war nicht gestillt. Es wäre ihm lieb gewesen, den anderen hervorzulocken, und er dachte daran, es mit einem Klopfen zu versuchen. So würde Ai Wei vielleicht die Tür öffnen, ohne Suko zu entdecken.
So weit kam es nicht.
Plötzlich hörte er seinen Feind sprechen. Die Stimme war nur in seinem Kopf. Sie klang sehr deutlich, und Suko konnte sich nicht dagegen wehren.
»He, ich weiß, dass du da bist.«
»Ach ja?«
»Du hast mich gefunden, nicht?«
»Kann sein.«
»Willst du schon den Kampf?«
»Ich hätte nichts dagegen.«
»Aber ich. Unser Kampf wird eine Schau. Wir wollen den Zuschauern etwas bieten.«
»Das können wir auch hier.«
»Wo bist du?«
Suko lächelte. Die Frage bewies ihm, dass Ai Wei nichts wusste. Darauf setzte Suko weiter.
»Bist du zu feige, deinen Wagen zu verlassen?«
»Nein.«
»Dann zeig dich. Komm raus. Ich will dir gegenüberstehen und dir klarmachen, dass ich nicht aufgebe.«
Suko war gespannt, ob er Ai Wei genug gereizt hatte. Aus früheren Zeiten wusste er, wie jähzornig Ai Wei reagierte.
In den folgenden Sekunden würde sich entscheiden, ob sein alter Feind mitspielte.
Suko stand so, dass er die Tür im Auge behielt. Noch war sie geschlossen. Im Wagen tat sich nichts, bis Suko sah, dass sich hinter der Fensterscheibe der Vorhang bewegte, sodass Ai Wei freie Sicht hatte.
Suko blieb stehen. Er war nicht zu sehen. Wäre es nicht um sein Leben gegangen, hätte er die Lage als einen großen Spaß gesehen, doch das war es bestimmt nicht.
Obwohl der Vorhang zur Seite geschoben worden war, sah Suko das Gesicht nicht sehr deutlich. Es war nur eine leichte Bewegung hinter der Scheibe festzustellen, das war alles.
Lange dauerte die Beobachtung nicht. Ai Wei musste enttäuscht sein, und der Vorhang fiel wieder zu. Jetzt kam es darauf an, ob er sich an der Nase herumgeführt fühlte oder nicht. Er würde an der anderen Seite nachschauen und ebenfalls nichts entdecken. Und dann würde er die Wahrheit herausfinden wollen und endlich den Wagen verlassen.
Zumindest schätzte Suko ihn so ein.
Zu hören war nichts. Keine Kontaktaufnahme mehr. Nur noch das Lauern, das Warten, bis die Tür endlich von innen geöffnet wurde und sich die Spannung in Suko radikal erhöhte…
***
So mächtig und großmäulig Ai Wei auch sein mochte, in diesem Fall war davon nichts zu merken, denn normal verließ er sein Wohnei nicht. Er schob die Tür sehr langsam auf, und es war auch kein Geräusch zu hören, das Suko irritiert hätte.
Er stand etwas schlecht, weil ihm die Tür die Sicht auf seinen Feind nahm. Suko stellte sich woanders hin und sah jetzt besser.
Das war er!
Aber er sah nicht mehr so aus wie früher. Suko hatte den Eindruck, keinem Menschen mehr gegenüberzustehen. Dieser ehemalige Klosterschüler war von den fremden Mächten, denen er sich verschrieben hatte, gezeichnet worden.
Ein Kopf, der schon einer Holzmaske glich. Dabei wiesen seine Augen ein gelbes Leuchten auf, was nicht von irgendwelchen Pupillen stammte, sondern aussah wie Lackfarbe.
Er war nicht nackt. Ein violetter Umhang verdeckte seinen Körper, und Suko fragte sich, ob dieser ebenso geschnitzt aussah wie das Gesicht, das nur zur Hälfte zu existieren schien. Es
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