1518 - Sukos Albtraum
nicht mal im Traum.« Sie hob die Schultern. »Leider ist er stumm und auch sehr schüchtern. Ich würde ihn gern näher kennen lernen.« Sie lächelte. »Vielleicht klappt es ja später mal.«
»Klar, ich drücke dir die Daumen. Und was machst du hier? Nur kochen?«
»Nein, nein, ich bin Akrobatin, aber ich koche auch gern. Wenn du in die Show gehst, wirst du mich im zweiten Teil sehen können. Da schwebe ich als Sternschnuppe durch den Himmel. Die Fäden sind so dünn, dass man sie nicht sieht. So denken die Zuschauer, dass wir wirklich fliegen können.«
Suko lächelte. »Es würde mich nicht mal wundern.«
»Vielleicht werden wir noch wie die Vögel. Aber das ist wohl nicht möglich.«
Suko dachte: Du würdest dich wundern, denn es ist tatsächlich möglich.
Er erinnerte sich dabei an das Vogelmädchen Carlotta, das in Dundee in Schottland lebte.
»Ja, ihr seid wirklich einmalig«, sagte er. »Ein jeder von euch. Dabei fällt mir etwas ein.«
»Bitte.«
»Ich bin auf der Suche nach einem Bekannten. Ich habe gehört, dass er in eurer Show auftritt, aber ich bin mir nicht sicher. Du kennst ja alle deine Kollegen und Kolleginnen.«
»Das ist wahr.«
»Auch Ai Wei?«
Die Köchin zuckte zusammen und schaute an Suko vorbei.
»He, was ist? Habe ich etwas Falsches gesagt?«
»Nein, das hast du nicht.«
»Aber du kennst ihn.«
»Ja. Er ist der Böse, er ist der Dämon, der im Programm auftritt. Er ist der Jäger, der die Menschen mit seiner Sense jagt.« Sie hob die Schultern. »Es ist nur ein Spiel, eine Show, eine Attraktion für die Zuschauer. Aber bei ihm habe ich immer das Gefühl, dass er es ernst meint.«
»Mit dem Töten?«
Sie hob die Schultern.
»Hat er schon jemals getötet?«, bohrte Suko weiter.
»Das weiß ich nicht. Man spricht nur wenig über ihn. Einige behaupten, dass er ein Mörder ist.«
Suko nickte. »Und in eurer Show jagt er die Menschen mit seiner Sense?«
»Ja.«
»Wie endet es?«
»Er verschwindet. Er löst sich auf. Er ist plötzlich weg. Er taucht in das Dunkel, und am nächsten Abend ist er wieder da. Es gibt kaum einen unter uns, der sich nicht vor ihm fürchtet. Manche halten ihn nicht nur für einen Menschen, sondern für mehr.«
»Und für was?«
»Er soll ein Dämon sein. Er soll die Gestalten aus den Höllen kennen, die ihn auf die Erde geschickt haben. Er sieht schrecklich aus, und ich kenne Menschen, die behaupten, dass es keine Maske ist, die sein Gesicht verbirgt. Das soll alles echt sein, und wenn das stimmt, sehe ich ihn nicht als einen Menschen an.«
»Das würde ich auch nicht. Ist er denn schon lange bei euch?«
»Nein. Erst seit wir hier in London sind. Der Chef hat ihn eingestellt, aber er spricht über die Gründe nicht. Mehr kann ich nicht über ihn sagen.«
»Danke, das war schon viel.«
Die Köchin stutzte. »Wieso? Interessierst du dich für ihn?«
»Ja. Ich sagte ja schon, dass er ein alter Bekannter ist.«
Die Frau fasste Suko an. »Bitte, halte dich von ihm fern. Das tun wir auch. Keiner hat nach der Show mit ihm Kontakt. Den will auch niemand haben.«
»Wohnt er denn bei euch?«
»Ja.«
»Wo?«
Große Augen blickten Suko an. »Bitte, sag nicht, dass du zu ihm willst. Ich habe schon bemerkt, dass er dir nicht egal ist. Aber du begibst dich in Gefahr.«
Suko lächelte. »So schlimm wird es nicht sein. Ich kann schon auf mich achtgeben.«
»Was - was - interessiert dich denn an ihm?«
»Es kann sein, dass ich auf der Suche nach ihm bin und ihn endlich nach langer Zeit gefunden habe.«
Auf dem Gesicht der Chinesin erschien ein Lächeln. Dabei hob sie die Schultern. »Wie dem auch sei, es geht mich nichts an. Ich kann dir nur sagen, dass er nach den Auftritten in seinem Ei verschwindet.«
»Ei?«, wiederholte Suko.
»Ja, so nennen wir seinen Wagen, weil er so rund ist. Ein altes Fahrzeug. Es steht ziemlich am Rand des Platzes, aber übersehen kannst du es nicht.«
»Danke.«
Die junge Köchin schaute zu Suko hoch. »Bitte, sei vorsichtig. Ich habe nicht umsonst gewarnt.«
»Keine Sorge, ich passe schon auf.« Suko lächelte. »Und für deinen Auftritt alles Gute.«
»Danke.«
Er ging davon. Dass er die Krone der Ninja in der Hand gehalten hatte, war der jungen Chinesin gar nicht aufgefallen. Oder sie hatte nichts darüber gesagt, das konnte auch sein.
Suko schaute auf die Uhr. In nicht mal einer Stunde war die Show schon im Gang. Bevor sie anfing, wollte er noch etwas tun. Die Beschreibung des Wagens war exakt gewesen. So ein
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