1519 - Das Symbol der Taube

Metern Höhe.
    Mehrfarbige Kraftlinien steuerten die Geräte an, denen sie zugedacht waren. Wie leicht es doch wäre, einen Projektor zu zerstören ... Die Leitung würde richtungslos, ein Mensch in Reichweite der Energien innerhalb einer Sekunde zu Staub zerblasen.
    Er lachte unsicher. Selbst in einem alten Kahn wie diesem steckte tödliche Energie.
    Unbewußt trugen ihn seine Schritte zur Lagerkammer, wo Alaska die dreizehn Splitter der Zeittafeln deponiert hatte. Da lagen die Fragmente. Das graue, scheinbar gesteinsartige Material wirkte unscheinbar.
    Unscheinbar - aber es war mehr wert als zehntausend Leben. Vielleicht mehr als sein Leben.
    Sato Ambush hatte einen Bruchteil der Daten entschlüsselt, die die Splitter enthielten. Seitdem wußten sie über die Nakken Bescheid. Die ganze Zeit über, 50000 Jahre, hatten die Schneckenwesen nur ESTARTUS Bruder ES gesucht. Und seit ES im Zuge des DORIFER-Schocks wieder verschwunden war, lief die Suche von neuem.
    Unter diesem Blickwinkel mußte man alles sehen, was ein Nakk tat.
    Allerdings existierte ein Hinweis, daß die vorliegenden Splitter nicht zum Original gehörten. Sie stellten vielmehr eine Art Sicherheitskopie dar, ein Werk des ominösen Chronisten von ES.
    Und ganz am Ende der entschlüsselten Sequenzen stand eine Symbolkette. Das war der Grund ihrer Expedition, denn die Kette ergab, in Zeilenform aneinandergereiht, das Ebenbild einer terranischen Taube.
    Die Taube wiederum kannten sie von Kembayan, von ihrem ersten Besuch.
    Dort führte die Spur weiter.
     
    *
     
    AUFZEICHNUNGEN ELEKTRONISCHES TAGEBUCH VON TESTARE: Soeben bin ich aufgewacht. Zwei Tage sind vergangen, und ich habe scheinbar grundlos ständig Angst.
    Krämpfe schütteln diesen Körper, wenn ich träume. An meinem Rücken und auf der Stirn klebt Schweiß.
    Unsere Geschwindigkeit ist mäßig. Nur zu gern hätte ich jetzt etwas anderes als die QUEBRADA. Wer kann dem Schiff ernstlich vertrauen wollen? Ich rede und rede.
    Ernst Ellert nimmt mich nicht ernst. Er hört nicht 201, oft stört etwas seine Aufmerksamkeit.
    Dann dreht sich Ellert um und geht.
    Aber Alaska versteht mich. Er weiß, wovon ich rede. Er weiß es immer. Fast glaube ich, er weiß ein bißchen zu genau Bescheid. Ich muß aufpassen, daß diese Aufzeichnung ihm nicht in die Hände fällt. Ich habe den Verdacht, er durchsucht heimlich meine Kabine.
    Er will mein Meister sein, das ist es. Ich verspüre den Drang, mich zu verkriechen. Aber ich weiß, daß ich das nicht tun darf.
    EINTRAGUNG ENDE.
     
    *
     
    Testate betrat die Zentrale, ohne einen Laut zu verursachen.
    Doch Alaska Saedelaere bemerkte ihn trotzdem. Niemand konnte dem dürren Mann etwas vormachen; diesbezüglich fühlte sich Testare ihm himmelweit unterlegen. Alaska hatte diesen Instinkt, der anderen Lebewesen fehlte. - „Äh, Testare."
    Wie reserviert das klang. In dem einst totenbleichen Gesicht spiegelten sich, undefinierbare Gedanken wider.
    Alaska war sekundenlang ein Wolf - ein schleichender Feind, der auf seine Chance zum Zupacken wartete. „Hallo, Alaska!"
    „Du siehst mich schon wieder so eigentümlich an. Was soll das? Verschwinde lieber!"
    „Das werde ich nicht", brachte der Cappin mit äußerster Beherrschung heraus. „Verschwinde lieber du. Ich übernehme jetzt den Pilotenstand."
    Testare hielt Alaskas Blick stand.
    Dann erhob sich der andere Mann, sagte kein Wort mehr und verschwand.
    Der Cappin fühlte Ernst Ellerts Blick auf sich ruhen. „Du verstehst nicht, was ich will", vermutete er. „Nein", gab Ellert zurück. „Ich will nur sichergehen."
    „Sichergehen? In welcher Hinsicht?"
    Testare antwortete nicht. Er wußte auch keine Antwort, doch das hätte er Ellert gegenüber niemals zugegeben.
    Mit einemmal sehnte er sich die Zeit vor ein paar Tagen zurück. Als sie noch miteinander hatten sprechen können, als dem einen das Vertrauen des anderen gehört hatte. Aber etwas stand plötzlich zwischen ihnen.
    Er verkrampfte sich im Pilotensessel und beobachtete die Kursdaten. Und mit quälender Überraschung stellte er fest, daß es nicht das geringste zu tun gab.
    Noch drei Tage bis Struktur 112.
     
    *
     
    Testare hielt die Kommandozentrale etwa einen Tag lang, dann wurde ihm das stumpfsinnige Starren auf Bildschirme und Konsolen zuwider.
    Was brachte es, die Kontrolle zu haben? Das Schiff zog unbeirrt seinen Kurs durch den Hyperraum; langsam zwar, aber vom Autopiloten fehlerfrei gesteuert.
    Die drei Passagiere der QUEBRADA gaben sich alle Mühe,