1525 - Die Verfluchten
Conolly.«
»Meinen Sie, dass es reicht?«
»Bitte«, sagte ich, »es geht der anderen Seite primär um Sie und nicht um Ihre Kinder. Das sollten Sie nicht vergessen. In diesem speziellen Fall stehen Sie an erster Stelle.«
»Das muss ich wohl glauben«, flüsterte er. »Wie sieht es denn mit Ihnen aus? Was können Sie mir über die Gefahr sagen, die ich nicht sehe?«
»Ich habe sie gespürt, und Sie können sich darauf verlassen, dass sie vorhanden ist.«
»Aber wie sieht sie aus?«
»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ich weiß es selbst nicht, aber sie ist nahe. Der anderen Seite kann es nicht gefallen haben, dass Sie mit uns sprechen. Man muss Sie beobachtet haben, Mr Harrison. Und für diese andere Seite sind Sie ein Verräter.«
»Mein Gott, das hört sich ja an wie in einem Krimi oder wie in einem Psycho-Thriller.«
»So ähnlich ist es auch.«
»Und wie soll ich mich verhalten?«
Auf diese Frage hatte ich gewartet. Eine genaue Antwort konnte ich ihm nicht geben. Die Gefahr befand sich noch in der Nähe, denn die Warnung durch mein Kreuz bestand auch weiterhin. Nur war nichts zu sehen, und das wunderte mich. Möglicherweise wusste die andere Seite Bescheid, dass es hier jemanden gab, der sich ihr in den Weg stellen würde.
»Bitte, Mr Sinclair, ich warte auf eine Antwort.«
»Bleiben Sie auf jeden Fall hier im Raum. Setzen Sie sich hin und vertrauen Sie mir. Mehr kann ich Ihnen nicht raten.«
»Was werden Sie denn tun?«
»Ich verlasse Sie jetzt.«
»Was? Sie wollen mich allein lassen?«
»Ja, aber ich bleibe in der Nähe. Sie brauchen keine Angst zu haben, ich habe Sie im Blick.«
»Okay, ich vertraue Ihnen.«
Es war gut, dass der Banker mitspielte und keine langen Fragen mehr stellte.
Ich ging auf die Tür zu, die mich in einen recht schmalen Flur brachte.
Zwei Türen führten in verschiedene Räume, in die ich schnell einen Blick warf.
In der Küche war nichts zu sehen, in der Toilette auch nicht, dennoch musste sich die Gefahr noch in der Nähe aufhalten oder sich zumindest nicht weit entfernt haben. Jedenfalls war mein Kreuz noch nicht zur Ruhe gekommen. Es gab auch weiterhin Wärme ab.
Ich schaute schräg durch die offene Tür ins Wohnzimmer. Der Banker saß genau in meinem Blickfeld. Ich nahm mir auch die Zeit, die Kette mit dem Kreuz über den Kopf zu streifen, um es in Reichweite zu haben. Es verschwand nicht in der Tasche, ich behielt es in meiner rechten Hand.
Luke Harrison saß in dem Sessel wie jemand, der zur Salzsäule erstarrt war. Er wagte nicht, sich zu rühren und schaute unentwegt in eine Richtung.
Ich warf einen Blick durch das Fenster in den Garten. Dort hatten sich die Kinder aufgehalten. Das war jetzt nicht mehr der Fall. Ich sah auch meinen Freund Bill nicht. Er musste sich mit den Zwillingen zurückgezogen haben, was bestimmt nicht das Schlechteste war.
Die Sekunden vergingen. Der Banker schwitzte. Ab und zu wischte er die Schweißperlen aus seinem Gesicht. Jetzt, wo er sich wieder bewegte, drehte er sich auch um und schaute in meine Richtung. Ich winkte ihm beruhigend zu.
Bis er plötzlich den Mund aufriss, ohne dass er schrie. Zugleich hob er die Arme an, und ich deutete diese Abwehrbewegung richtig. Er hatte etwas gesehen.
Mich hielt nichts mehr an meinem Platz. Eine Drehung, ein paar Schritte, und ich stand im Wohnzimmer.
Luke Harrison und ich waren nicht mehr allein. Wir hatten Besuch bekommen. Nicht von einem Menschen, sondern von einer grünlichen, unheimlich wirkenden Totengestalt…
***
Zum ersten Mal wurde ich direkt mit diesem Fall konfrontiert. Bisher war alles nur theoretisch gewesen, nun musste ich erkennen, dass es diese Gestalt tatsächlich gab. Es musste eine von denen sein, deren Stimmen wir in der Hotelruine gehört hatten. Eine andere Möglichkeit gab es für mich nicht, und dieses Wesen, das aussah wie ein normaler Mensch, war für mich keiner.
Eine Hose, zerfetzte Oberkleidung, ein starres Gesicht mit hellen Haaren.
Leere Augen, in denen allerdings tief im Hintergrund rote Punkte zu sehen waren.
Und es fiel mir auch die fahle grüne Haut auf. Die Gestalt sah nicht verbrannt aus. Feueropfer sahen anders aus. Bei ihr waren sogar noch die Haare vorhanden, und ich entdeckte keinen einzigen Brandflecken.
»Sinclair«, flüsterte der Banker. »Verdammt noch mal, Sinclair, Sie müssen was tun! Das ist ein - ich weiß es nicht.«
»Bleiben Sie ruhig sitzen!«
»Das sagen Sie so leicht!«
»Versuchen Sie es.«
»Verdammt, wer ist
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