1529 - Tochter, Mutter, Teufelssaat
Rad auf das Haus zu.
Als Hexenhaus konnte man es nicht bezeichnen, auch wenn es recht niedrig war. Kletterpflanzen hatten sich ihren Weg gebahnt und schoben sich an den Wänden hoch. Die Fenster bedeckten sie nicht, da waren sie beschnitten worden. Die Blätter glänzten als hätte man sie mit Öl eingerieben.
Vor dem Haus war Platz genug, um Autos abstellen zu können. Sie sah keinen Wagen.
Ihr Herz klopfte schneller. Auf der Stirn spürte sie einen dünnen Schweißfilm, wenn sie auf die Finger ihrer gespreizten Hände schaute, sah sie das leichte Zittern.
Noch wenige Schritte, dann stand sie vor der Eingangstür, und Elisa fragte sich jetzt, ob sie richtig gehandelt hatte, ihrer Neugierde freien Lauf zu lassen. Das hier war ihr alles fremd, und wie fremd würde es erst werden, wenn sie plötzlich einer Frau gegenüberstand, die sie noch nie zuvor gesehen hatte, die aber ihre Mutter war. Wobei sie über den Vater nicht nachdenken wollte, denn von ihm wurde am besten nicht gesprochen.
Angeblich sollte es der Teufel gewesen sein, wobei Elisa sich das nicht vorstellen konnte. Der Teufel war einfach zu abstrakt. Sie konnte sich kein Bild von ihm machen, und sie glaubte nicht an das, was sie auf alten Zeichnungen und Bildern gesehen hatte, wo der Herrscher der Hölle als widerliches Geschöpf dargestellt wurde. Mit einem von Fell bedecktem Körper, einem langen Schweif, einem abstoßenden Gesicht, auf dessen Stirn zwei Hörner wuchsen.
Das sollte der Teufel sein? Das diejenige Unperson, die ihre Mutter geschwängert hatte?
Allein der Gedanke daran trieb ihr die Röte ins Gesicht. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass sich ein derartiges Wesen im Bett ihrer Mutter oder wo auch immer herumgetrieben hatte. So etwas war einfach zu weit weg, aber in diesen Augenblicken drängten sich derartige Bilder wieder in ihr Gedächtnis.
Vor der Tür blieb sie stehen. Sie zeigte einen dunkelbraunen Anstrich, der einige Flecken aufwies. Dazu passte der abgeschabte Türgriff. Eine Klingel suchte sie vergebens. Wer das Haus und damit den Laden betreten wollte, der öffnete einfach die Tür.
Das musste sie auch machen.
Aber Elisa zögerte. In ihrer Brust erlebte sie eine Enge, die sie beim Atmen störte. Ihr Kopf war voller Geräusche. Da konnte sie von einem Brausen sprechen. Die Knie fühlten sich weich an, und der Schweiß bedeckte jetzt auch ihre Oberlippe.
Du musst dich jetzt zusammenreißen!, hämmerte sie sich ein. Du darfst jetzt nicht die Nerven verlieren. Du bist den Weg so weit gegangen, und du kannst unmöglich einen Rückzieher machen.
Sie musste sich Mut machen, um auch den letzten Schritt zu gehen, auch wenn sie sich wie eingeschlossen fühlte. Sie legte die Hand auf die Klinke und spürte die Kühle des Metalls.
Wenig später drückte sie die Tür auf. Es war nicht abgeschlossen. Das hätte ihr noch eine Chance gegeben, wieder zu verschwinden, so aber biss sie in den sauren Apfel und schob sich in das Haus, dessen Gerüche ihr entgegen schwangen.
In den folgenden Sekunden blieb sie erschreckt stehen. Etwas Kaltes rann ihren Rücken hinab und stoppte irgendwann vor dem letzten Wirbel.
Sie hatte erwartet, dass ihr jemand entgegenkam, weil über ihr eine Glocke geschlagen hatte, die einen recht dumpfen Klang durch den Laden schickte, um den Besuch anzukündigen.
Der Klang verhallte, es kam niemand, und so schloss Elisa die Tür. Tief atmete sie aus. Sie hatte jetzt das Gefühl, genau das Richtige getan zu haben. Es kam auch daher, weil sich nach dem Glockenklang niemand gemeldet hatte und so beruhigte sie sich wieder.
Und doch stand sie in einer fremden und auch düsteren Welt, denn die Fenster, die das Tageslicht durchließen, waren nicht besonders groß.
Hinzu kam die niedrige Decke, die von den dunklen, voll gepackten Regalen gestützt zu werden schien.
Niemand kam. Nur die Gerüche blieben. Den ersten Schreck hatte sie überwunden und dachte daran, dass sie in der Tür nicht mehr länger bleiben wollte. Sie suchte ihre Mutter. Den ersten Schritt war sie gegangen, jetzt musste der Zweite folgen.
Elisa schaute sich den Inhalt der Regale näher an. Dabei ging sie tiefer in den Verkaufsraum hinein. Unter ihren Füßen lagen die Bohlen aus Holz dicht an dicht. Sie gaben eine buckelige Fläche ab, und wenn sie Druck bekamen, bewegten sie sich mit leicht knarzenden Geräuschen.
Es war alles so neu für sie. Die Gewürze, die in Tüten, kleinen Blechdosen oder Gläsern standen, kannte sie kaum. Sie
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