1529 - Tochter, Mutter, Teufelssaat
Tochter in schon recht jungen Jahren bekommen. Elisa war jetzt siebzehn, und Camilla konnte demnach keine vierzig Jahre alt sein.
Aber wie sah sie aus?
Man konnte sie nicht mal als alterslos bezeichnen. Das traf nicht zu. So wie sie aussah, so dürr und fast zum Skelett abgemagert, da hätte sie auch sechzig oder siebzig Jahre alt sein können. Die Großmutter zu sein, das wäre passender gewesen.
Und auch davor hätte sich Elisa geekelt. Sie gab jetzt zu, dass sie sich vor dieser Person ekelte. Sie wollte nicht von ihr berührt werden. Es war für sie am besten, wenn sie sich umdrehte und den verdammten Laden hier so schnell wie möglich verließ.
Genau das schaffte sie nicht. Es blieb beim Wollen. Sie konnte nicht das umsetzen, was das Gehirn ihr befahl. So blieb sie stehen und schaute zu, wie die Person, die angeblich ihre Mutter war, noch näher auf sie zukam.
Und das Grinsen blieb. Es war so widerlich, so abstoßend. Elisa senkte ihren Blick, und so schaute sie sich die Hände mit den langen Fingern an.
Waren es Knochenfinger? Hätten sie besser zu einem Skelett gepasst, als zu einem Menschen?
Es konnte sein. Es konnte alles bei ihr sein. Sie war für Elisa kein richtiger Mensch mehr, sondern nur noch eine Puppe. Etwas Widerliches, gegen das sie innerlich ankämpfte und zugleich darum flehte, von dieser Unperson nicht angefasst zu werden. Das wäre fatal gewesen, einfach grauenhaft.
Diese Person ließ auch die restlichen Stufen hinter sich, und sie streckte ihrer Tochter dabei die Hände entgegen. Jetzt wäre es für Elisa an der Zeit gewesen, die Flucht zu ergreifen. Und abermals schaffte sie es nicht, sich zu bewegen. Starr stand sie weiterhin auf der Stelle und erwartete das Schlimmste.
»Mein Kind…«
Es war für Elisa eine schreckliche Aussage, und noch schlimmer wurde es, als Camilla sie berührte. Sie legte ihre Arme auf die Schultern des jungen Mädchens, und Elisa spürte den Druck der Hände wie eine Last.
Sie ruhten nicht lange auf den Schultern, denn jetzt passierte etwas, vor dem sie sich ekelte.
Die angebliche Mutter zog sie an sich, um sie zu umarmen. Und Elisa konnte sich nicht dagegen wehren. Die knochige Gestalt drückte sie fest an sich. Elisa spürte alles. Sie war so starr wie ein Brett geworden.
Jegliche Gefühle waren aus ihrem Körper gewichen. Sie glaubte, ihr Menschsein verloren zu haben. Sie war einfach nur schlimm, und sie schaltete alles ab, was mit einem Gefühl zu tun hatte. Sie nahm es hin, dass die Hände der Frau über ihren Körper glitten und sie betasteten, wobei Camilla flüsternd sprach.
Zuerst glaubte die Schülerin, sich verhört zu haben, aber die Mutter wiederholte die Worte mehrmals, und so stand für sie fest, dass sie sich nicht verhört hatte.
»Fleisch, meine Tochter. Du hast so wunderbares Fleisch. Auch ich war mal sehr schön, und ich weiß, dass du meine Nachfolge antreten wirst. Wir beide gehören zusammen…«
Nein, nein! Wir gehören nicht zusammen! Das kann nicht sein, verdammt noch mal. Niemals gehören wir zusammen. Ich will nicht, dass du meine Mutter bist.
Das alles hatte Elisa ihr sagen wollen, doch sie schaffte es nicht. Es drang kein Wort über ihre Lippen. Die Gedanken blieben unausgesprochen.
»Es wurde auch Zeit, Töchterchen, dass du mich besuchst. Ja, es wurde Zeit. Ich habe lange auf dich gewartet, und jetzt endlich bist du bei mir.«
»Ich… ich…«
»Nein, nein, sag nichts. Mutter und Tochter gehören zusammen. Ich habe damals das Richtige getan, als ich dich weg gab. Um den Beweis zu bekommen, muss ich dich nur anschauen. Ja, ich schaue dich an. Ich umarme dich. Ich spüre unsere Blutsverwandtschaft, und ab jetzt, wo du fast erwachsen bist, wird sich vieles ändern. Mutter und Tochter gehören zusammen, denn Mutter und Tochter haben sich gefunden. Die lange Zeit des Wartens ist vorbei. Wir bilden das Paar.«
»Das ist nicht… nicht…«
»Doch! Es hat keinen Sinn, wenn du dich sträubst. Die Natur hat das für uns vorgesehen.«
»Ich will jetzt gehen.«
»Ach, wohin denn?«
»Nur weg!«
»Gefällt es dir nicht bei mir?«
Elisa wusste nicht, was sie antworten sollte. Wenn sie die Wahrheit sagte, war das nicht gut, sie musste diplomatisch reagieren, auch wenn es ihr schwer fiel.
»Es ist alles etwas fremd bei dir.«
»Das kann ich verstehen.«
»Außerdem sollte es nur ein kurzer Besuch bei dir werden, wenn du verstehst.«
»Das heißt, du willst weg?«
»Daran habe ich gedacht.«
»Und wo willst du
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