1531 - Dschungeltod
überrascht. Schon unter dem ersten Druck erstarrte sie zu einer Statue.
Ich hätte ihr auch in den Kopf schießen können, nur hatte ich das nicht über mich gebracht. Wenn möglich, wollte ich sie lebend haben.
Ich hörte ihren Atem, der aus dem Mund zischte, und flüsterte: »Ich warte nicht mehr länger.«
Sie zog sich nicht zurück, aber sie stellte mir eine Frage.
»Bist du es, den ich im großen Haus gesehen habe?«
»Gut geraten.«
»Ich hätte dich dort töten sollen.«
»Oder umgekehrt.«
»Ja, es ist gut. Es ist alles in Ordnung. Ich werde tun, was du von mir verlangst. Meine Mutter kann warten.«
Die Antwort ließ darauf schließen, dass sie noch längst nicht aufgegeben hatte, und darauf stellte ich mich ein.
Sie bewegte sich zurück. Ich ging ebenfalls einen Schritt nach hinten.
Maria sah ich nicht, doch ich hörte sie jammern. In ihrer Angst musste sie fast vergehen.
Sekunden später hinderte Tabea nichts mehr daran, sich aufzurichten.
Ich ließ es zu, dass sie sich in die Höhe stemmte, wobei sie mir nach wie vor den Rücken zudrehte. Das lange Messer hatte sie nicht losgelassen.
Nur zeigte die Klinge jetzt nach unten, und sie hatte ihren rechten Arm abgespreizt.
Da ich ihr sehr nahe gewesen war, hatte ich auch etwas von diesem ekligen Gestank mitbekommen, den ihre Geschwüre abgaben. An ihrem unbedeckten Nacken sah ich sie. Ich hinderte Tabea auch nicht daran, sich umzudrehen, was sie sehr langsam und bedächtig tat.
Dann starrten wir uns an.
Ich war noch weiter zurückgewichen, um aus der Reichweite der Klinge zu gelangen. Zum ersten Mal sah ich ihr Gesicht aus der Nähe und hatte Mühe, mein Entsetzen nicht zu deutlich zu zeigen.
Die Geschwüre saßen überall auf ihrem Gesicht verteilt. Und sie platzten ständig auf, um eine stinkende dickliche Flüssigkeit abzusondern. Als Wunden blieben sie nicht zurück, denn über diese nässenden Hinterlassenschaften bildete sich erneut eine dünne Haut, die nur darauf wartete, wieder aufzuplatzen, damit das ganze Spiel von vorn beginnen konnte.
»Weg mit dem Messer!«, befahl ich.
»Nein!«
Ich hob meine Beretta an und zielte jetzt auf das mit Geschwüren bedeckte Gesieht.
»Lass es fallen!«
Sie lächelte und schüttelte zugleich den Kopf. »Nein, ich werde es nicht tun, ich werde…«
Sie bewegte sich, und sie war verdammt schnell dabei. Zum Glück hatte ich ihren gesamten Körper unter Kontrolle gehalten, und so sah ich rechtzeitig, wie sie den rechten Arm kurz anhob, um die Waffe aus dem Handgelenk zu schleudern.
Zwei Schüsse krachten.
Beide Kugeln jagte ich in das von Pusteln und Geschwüren entstellte Gesicht der fast nackten Frau.
Ich sah zu, wie der Kopf nach hinten ruckte. Der Körper folgte. Die nackte Frau fiel gegen die Autotür und drückte sie mit ihrem Gewicht zu.
Es war das Letzte, was sie in ihrem Leben schaffte. Zwar versuchte sie noch, in einem Reflex das Messer in die Höhe zu reißen, doch das gelang ihr nicht mehr, denn sie kippte nach vorn, fiel und durchbohrte sich selbst.
Es war ein schlimmes und grausames Bild, denn die Klinge war so lang, dass sie am Rücken wieder heraustrat.
»Mein Gott«, flüsterte Glenda nur, »mein Gott…«
***
Für mich stand fest, dass Tabea Sanchez nicht mehr lebte. Ich wollte es aber genau wissen und drehte sie um, sodass ich in ihr Gesicht schauen konnte. Zwei geweihte Silberkugeln hatten es praktisch zertrümmert. Da hatte ihr auch der Götze nicht mehr helfen können.
In die stinkende Flüssigkeit der Geschwüre mischte sich das Blut, das aus den Einschusslöchern in dünnen Fäden sickerte.
Ich richtete mich wieder auf und schaute Glenda an, die nicht in der Lage war, weiterzusprechen. Der Vorgang und der Anblick waren einfach zu viel für sie, auch wenn sie schon einiges erlebt hatte.
Zwischen uns lag der tote Vater der Mörderin. Die Hälfte ihrer Rache hatte sie geschafft. Die Mutter, die noch immer im Auto saß, hatten wir retten können.
Ich musste mich um sie kümmern und schaute auf eine Frau, die apathisch auf ihrem Sitz hockte. Sie bewegte die Lippen, sie murmelte etwas vor sich hin, und manchmal schrie sie auch leise auf. Was sie erlebt hatte, war ein Albtraum gewesen, und ich glaubte nicht daran, dass sie den Anblick jemals wieder loswerden würde.
Als ich auf die Uhr schaute, war die dritte Morgenstunde angebrochen.
Glenda war ein paar Meter zur Seite gegangen und starrte in die Dunkelheit, während ich zu meinem Handy griff und die Kollegen anrief,
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