1532 - Das Bermuda-Erbe
nicht mit rechten Dingen zugegangen - oder?«
Carlotta nickte. »Klar, da muss ich nur an die seltsamen Gesichter im Licht denken. Das war, als hätte sich eine andere Welt geöffnet, und wir wissen ja beide, dass es so etwas gibt.«
Maxine Wells lächelte, ohne die Lippen zu öffnen. Nach einer Weile sagte sie: »Ich habe mal wieder das Gefühl, an eine Tür geklopft zu haben, hinter der sich etwas Unheimliches oder Unerklärliches versteckt. Du weißt, was ich damit meine?«
»Ja, das könnte der Zugang zu einem Geisterreich gewesen sein. Oder was auch immer.«
»Eben.«
»Und was sollen wir tun? Alles für uns behalten? Man wird das Schiff vermissen, und denk immer daran, dass ich die einzige Zeugin bin. Ich könnte was erzählen.«
»Würde man dir glauben?«
»Das weiß ich nicht.«
»Eben. Aber ich kenne jemanden, der uns glauben würde.«
Carlotta lächelte, weil sie schon längst den gleichen Gedanken verfolgt hatte.
»Du meinst John Sinclair?«
»Wen sonst?«
»Gute Idee.«
Maxine lehnte sich in ihrem Sessel zurück. »Ja, das schon, aber was wird er dazu sagen? Ist das überhaupt ein Fall für ihn? Er müsste die örtliche Polizei einschalten. Ich glaube nicht, dass er allein etwas ausrichten kann.«
Carlotta wiegte den Kopf. »Stell deine Bedenken mal zur Seite, Max. Er sollte schon erfahren, was hier für ein Phänomen passiert ist. Das meine ich zumindest.«
»Und dann?«
»Seine Meinung zu hören, wäre schon interessant.«
»Klar, das wäre es.«
»Dann rufe ihn an, Max. Also, ich hätte ein schlechtes Gewissen, wenn ich es nicht tun würde.«
»Du übst ganz schön Druck aus.«
»Ist das falsch?«
»Nein, ich denke nicht.«
Carlotta stand auf. Sie holte das Telefon aus der Station und drückte es Maxine in die Hand.
»Soll ich dir die Nummer sagen? Oder kennst du sie auswendig?«
»Ich habe sie im Kopf.« Die Tierärztin schaute auf die Uhr. »Ich denke, dass er nicht mehr im Büro ist. Ich versuche es mal bei ihm zu Hause.«
»Und ich drücke uns die Daumen, dass er sich überhaupt in London aufhält und nicht durch die Welt jettet.«
»Ja, Carlotta, tu das…«
***
Schon auf dem Flur fing ich an zu schnuppern. Dass Shao etwas gekocht hatte, roch ich durch die Ritzen der Wohnungstür, und es roch verdammt gut.
Suko wollte die Tür aufschließen und mich eintreten lassen, aber dagegen hatte ich etwas.
»Ich gehe noch mal kurz in meine Wohnung. Bis gleich.«
Auch ein Geisterjäger musste mal zur Toilette. Außerdem wollte ich mir noch das Gesicht und die Hände waschen, um dann nach nebenan zu gehen. Post war keine gekommen, die hätte mir Shao schon auf den Tisch gelegt. Ich lüftete kurz durch und blieb vor dem offenen Fenster stehen.
Draußen zeigte der Himmel sein trauriges Herbstgesicht. Wolken bedeckten den Himmel, wurden vom Wind erfasst und türmten sich übereinander. Das war nicht der Herbst, den man sich vorstellte, und ich dachte an Dundee, wo wir hin mussten.
Schottland, der Norden. Eine Gegend, in der es nicht mehr so viel Wald gab, denn das Wachsen der Bäume ließ das Klima einfach nicht zu.
Ich freute mich allerdings auf Maxine Wells. Sie war eine patente und eine tolle Frau und in ihrem Beruf hoch angesehen. Dass sie Carlotta zu sich genommen hatte, war natürlich Masse. Gemeinsam hatten wir schon einige rätselhafte Dinge erlebt, aber auch Fälle, die für uns lebensbedrohlich gewesen waren.
Es war immer wieder gut gegangen, und jetzt mussten wir uns mit einem Rätsel beschäftigen, bei dem ich nicht überzeugt war, eine Lösung zu finden.
Ich schloss das Fenster wieder. In der nächsten Minute würde ich bei Suko sein, und als ich daran dachte, da stieg erneut das Hungergefühl in mir hoch.
Das Schicksal in Form des Telefons machte mir einen Strich durch die Rechnung. Ausgerechnet jetzt.
Ich hob trotzdem ab und vergaß dabei, auf das Display zu schauen, wo meist die Nummer des Anrufers stand.
»Ah, du bist da, John.«
»Nein«, sagte ich.
»Wieso?«
»Du, Maxine?«
»Ja, ich bin es.«
»Das gibt es nicht«, stöhnte ich und ließ mich zunächst in einen Sessel fallen.
»Was gibt es nicht?«
»Dass du anrufst.«
»Verstehe ich nicht, John. Bist du sauer? Habe ich eine schlechte Zeit für den Anruf erwischt?«
»Nein, nein, das ist es nicht.«
»Sondern?«
»Es ist etwas ganz anderes, Max. Ich hatte nämlich auch vor, dich anzurufen.«
»Ach. Wann denn?«
»Praktisch in diesen Augenblicken.«
»Und warum?«
»Weil Suko und ich
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