1534 - Nocturnen-Alarm
betroffen.
Allmählich begann er zu begreifen, warum Dao-Lin-H’ay so wütend über das war, was die Kartanin der NARGA SANT angetan hatten. „Die Speicher des Scotaming enthielten noch wesentlich mehr", fauchte die ehemalige Voica. „Das gesamte Wissen meines Volkes war darin enthalten. Inklusive ganzer Komplexe von Informationen über unsere Geschichte und unsere Herkunft, die noch gar nicht entschlüsselt waren. Die NARGA SANT war unser Erbe.
Und was ist sie jetzt?"
Sie zog die Krallen ein. Man konnte ihr ansehen, daß ihr das große Mühe bereitete. „Aus und vorbei", sagte sie nüchtern. „Es lohnt sich nicht mehr, auch nur einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden. Wenn eine solche Gelegenheit einmal verpaßt ist, kehrt sie nie wieder. Aber was die Nocturnen angeht, so hoffe ich, daß die eine oder andere Familie aus geschäftlichen Interessen heraus nicht alles Wissen herausgerückt und später gelöscht hat. Sie haben vielleicht Duplikate angefertigt und zurückgehalten. Du solltest es auf jeden Fall versuchen."
Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: „Meinetwegen auch in den Archiven der Familie H’ay." Sie warf ihm einen schrägen Blick zu. „Eines der Schlüsselwörter lautet N’jalna-Dao. Ich glaube nicht, daß man es jemals gelöscht hat."
Sie brauchte dem Terraner nicht erst zu erklären, wie gerne sie selbst an dieser Suche teilgenommen hätte.
Genauer gesagt: Sie hatte das lieber auf eigene Faust erledigt und Tekener aus dieser Sache herausgehalten.
Aber sie hatte weder Zeit noch Gelegenheit dazu. „Ich habe dieses Theater satt!" seufzte sie. „Tu mir den Gefallen und finde etwas, damit wir so schnell wie möglich von hier verschwinden können."
„Ich werde sehen, was sich machen läßt", versprach Tekener lächelnd.
Das von Dao-Lin-H’ay genannte Schlüsselwort führte ihn zu einigen sehr interessanten Berichten, von denen sie sicher nicht gewollt hätte, daß er sie las. Aber diese Berichte verblaßten zur Nebensache, als Tekener an mehreren Stellen auf den Namen einer Kartanin stieß, die sich offenbar noch bis vor wenigen Tagen aus genau demselben Speicher mit Informationen über die Nocturnen versorgt hatte.
Der Name dieser Kartanin lautete Giu-Nal-H’ay.
Ronald Tekener besorgte sich die - Mannschaftslisten der beiden kartanischen Schiffe, die die TAMBO begleiteten, und stellte fest, daß Giu-Nal-H’ay zur Crew der CHIANG-LU gehörte.
Das klang beruhigend. Es zeigte immerhin eines: Die Hohen Frauen hatten sich, entgegen Tekeners Befürchtungen, durchaus bemüht, dem geplanten Unternehmen zum Erfolg zu verhelfen.
Als Tekener dieser Spur jedoch noch ein wenig weiter nachging, stieß er auf etwas, das ihn erschreckte.
Die Familie Sh’ou besaß tatsächlich noch einen kompletten Satz von Passagesymbolen - und diese Symbole hatte man den Besatzungen der beiden Schiffe übergeben.
Offensichtlich hatten die Kartanin keine Ahnung davon, daß die alten Symbole heutzutage mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit völlig nutzlos waren.
Wenn man sich in der CHIANG-LU und der WO-MUN auf diese veralteten Unterlagen verlassen hatte, dann stand es sehr schlecht um die Chancen der kartanischen Raumfahrer.
Eine Hoffnung gab es jedoch noch: In den Berichten aus den Archiven der Familie H’ay wurde mehrmals auf die Unzuverlässigkeit veralteter Passagesymbole hingewiesen. Wenn Giu-Nal-H’ay bei ihren Nachforschungen einigermaßen gründlich vorgegangen war, mußte sie die Gefahr also kennen.
Womit sich die Frage erhob, als wie gründlich und rechtschaffen diese Giu-Nal-H’ay einzustufen war.
Als Ronald Tekener sich in dieser Frage erneut an das Familienarchiv wandte, konnte er Giu-Nal-H’ay jedoch nicht finden.
Von bösen Vorahnungen erfüllt, wartete er auf die Rückkehr Dao-Lin-H’ays.
*
„Das kann nur eines bedeuten", sagte Dao-Lin. „Man schämt sich ihrer Abstammung. Sie gehört zur Familie H’ay, aber eigentlich hätte man sie lieber nicht am Hals. Das werden wir gleich haben."
Kartanische Familienunterlagen waren eine Sache für sich.
Obwohl die Familie H’ay ihren einst sehr großen Einfluß längst eingebüßt hatte, handelte es sich um einen riesigen Clan, dem alles in allem mehr als achtzig Millionen Kartanin angehörten. Sie lebten auf verschiedenen Planeten in familieneigenen Siedlungen, arbeiteten in familieneigenen Firmen, unterhielten eigene Schulen und besaßen sogar eine eigene Raumschiffswerft. „Da ist sie ja schon", murmelte
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