1534 - Nocturnen-Alarm
der Milchstraße traf man zur Zeit hauptsächlich auf Kartanin aus der Galaxis Hangay. Sie gehörten unterschiedlichen Völkern an, und viele dieser Völker waren - ungeachtet ihres gemeinsamen Ursprungs - untereinander verfeindet.
Die Pinwheel-Kartanin dagegen bildeten ein Volk, und die Angehörigen dieses Volkes hielten zusammen wie Pech und Schwefel. Es war durchaus nicht so, daß sie alle miteinander in bester Harmonie zusammenlebten.
Aber Außenstehenden gegenüber vergaßen sie ihre internen Streitigkeiten.
Ronald Tekener hatte das im Grunde genommen schon seit langem gewußt, denn dies war auch schon vor Jahrhunderten ein ganz wesentlicher Charakterzug der Feliden gewesen.
Er hatte jedoch nicht damit gerechnet, daß es so schlimm sein könnte.
Natürlich - da war Dao-Lin-H’ay, die oft genug Beweise dafür geliefert hatte, wie eng die Verbindung zwischen ihr und ihrem Volk blieb, ganz gleich, was um sie herum geschehen mochte.
Aber erstens war Dao-Lin-H’ay keine gewöhnliche Kartanin, und zweitens hatte selbst sie sich geändert.
Unbewußt hatte Tekener - und nicht nur er - Dao-Lins neue, offenere Haltung auch auf ihr Volk übertragen.
Das war ein Fehler gewesen.
Die Kartanin hatten sich geändert.
Aber nicht unbedingt in genau jener Art und Weise, wie es den Terranern und anderen Galaktikern als wünschenswert erscheinen mochte.
Ihre streng matriarchalisch ausgerichtete Gesellschaft war im Umbruch begriffen. Die offene Feindschaft zu den Karaponiden aus Hangay war beigelegt, und kartanische Handelsschiffe waren nicht selten in der Milchstraße anzutreffen.
Erst vor wenigen Tagen hatte Ronald Tekener erfahren, daß diese Einschätzung auf einem Irrtum beruhte.
Inzwischen war er sich nicht mehr sicher, ob es tatsächlich nur die Familie L’ung war, die sich auf schmutzige Geschäfte mit den Topsidern eingelassen hatte. Es erschien ihm als sehr wahrscheinlich, daß auch andere Familienunternehmen sich ähnliche Einnahmequellen erschlossen hatten.
Und die Hohen Frauen wußten zweifellos darüber Bescheid.
Sie würden allerdings nichts unternehmen, bevor man ihnen eindeutige Beweise auf den Tisch legte - Beweise, die dazu geeignet waren, das ganze Volk der Kartanin in einen schlechten Ruf zu bringen.
Denn genau das war der wunde Punkt bei der ganzen Angelegenheit: Es ging um den Ruf des Volkes.
Um den zu schützen, ließ man im Zweifelsfall auch einmal eine ganze Familie über die Klinge springen. Und man tat das nicht etwa nur zum Schein: Die Familie L’ung stand wirklich am Rand des Ruins.
Wobei man den L’ungs allerdings nicht so sehr die Tatsache übelnahm, daß diese Leute das gegen die Topsider gerichtete Waffenembargo umgangen hatten. Entscheidend war vielmehr der Umstand, daß die L’ungs unvorsichtig genug gewesen waren, sich dabei erwischen zu lassen.
Grund genug für den Terraner, in die Milchstraße zurückzukehren.
Ronald Tekener war mittlerweile soweit, daß er die Moralvorstellungen der Kartanin fast vollständig auf eine Art von Ganovenehre reduzierte. Es mochte sein, daß er dem Volk der Feliden damit unrecht tat, aber das war etwas, womit er leben konnte.
Die einzige Kartanin, für die er ein persönliches Interesse hegte, war Dao-Lin-H’ay.
Was sie betraf, so war Ronald Tekener sich seiner Sache absolut sicher: Dao-Lin-H’ay war garantiert loyal.
Die Frage war nur, wem gegenüber.
Selbst im Fall L’ung hatte sie zunächst alle Informationen zurückgehalten. Sie hatte niemanden in der Milchstraße über ihren Verdacht in Kenntnis gesetzt, sondern war auf eigene Faust nach Kartan geflogen.
Und dort hatte sie sogar die ARDUSTAAR weggeschickt.
Nicht einmal die Besatzung ihres eigenen Schiffes, der sie sonst in jeder Beziehung vertraute, hatte mitbekommen sollen, weshalb sie wirklich nach Pinwheel gekommen war.
Sie hätte zumindest in diesem Fall nicht so mißtrauisch sein sollen.
Die Sache mit der Familie L’ung hatte Ronald Tekener zu der Erkenntnis gebracht, daß er unter den gegebenen Umständen in der Milchstraße eher von Nutzen sein konnte als in Fornax. Da er kein eigenes Raumschiff besaß, war er auf dem Planeten Kartan geblieben, um gemeinsam mit Dao-Lin-H’ay an Bord der ARDUSTAAR die Rückreise anzutreten.
Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte der Start unmittelbar nach dem Rücktritt der „Hohen Frau" aus der Familie L’ung stattfinden können. Aber das ging nicht, weil Dao-Lin-H’ay - um den Schein zu wahren - ein bis ins Detail
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