1534 - Weg der Verdammten
stehen und glotzten sie an, ohne dass jedoch etwas geschah.
Da dies so war, konnte ich einen Blick auf den Würfel werfen. Ich wollte nur sehen, was er zeigte, und war überrascht, dass sich in seinem Innern nichts mehr zeigte. Nicht mal die hellen Schlieren bewegten sich von einem Punkt zum anderen.
Mir schoss so manches durch den Kopf, ohne dass ich in der Lage gewesen wäre, die Gedanken zu ordnen. Für mich fehlte etwas, aber ich wusste nicht genau, was es war.
Godwin verfolgte die gleiche Idee wie ich.
»Das ist noch nicht perfekt«, umschrieb er es. »Glaube mir, John, da muss noch etwas passieren. Das kann nicht alles gewesen sein.«
»Das denke ich auch.«
Der Satz war mir kaum über die Lippen gekommen, da sah ich die Bewegung dort, wo sich der Durchgang befand. Etwas zirkulierte dort, aber es wurde nicht vom tanzenden Schein der Flammen geschaffen, es hatte eine Eigendynamik.
Sekunden später sahen wir es überdeutlich, und Godwin de Salier sprach genau das aus, was ich ebenfalls meinte.
»Da steht die Gestalt mit dem blutigen Schädel!«
***
Ich brauchte es nicht zu wiederholen, ich musste ihm nicht erst groß recht geben. Es war so. Diese kaum zu erklärende unheimliche Gestalt hatte sich in den Innenhof geschlichen oder wie auch immer. Lange darüber nachzudenken brachte uns nicht weiter. Sie war da, sie war kein Geist, der sich plötzlich auflöste, sie bestand aus bleichen Knochen und dem Blut, das sich auf dem knöchernen Schädel regelrecht festgefressen hatte.
»Jetzt sind sie wohl komplett«, sagte Godwin.
»Genau. Die Show kann beginnen.«
»Und wie wird sie ablaufen?«
»Keine Ahnung. Nur glaube ich nicht, dass sich die andere Seite über unseren Besuch freuen wird. Sie werden sauer sein, dass zwei Fremde erschienen sind, die sie nicht auf der Rechnung hatten. Das ist ihre Nacht, Godwin. Sie werden das tun, was sie sich vorgenommen haben. Es ist der Weg der Verdammten.«
»Hört sich verdammt schlimm an.«
»Das ist es auch.«
Für mich war die Gestalt mit dem Blutschädel so etwas wie ein Anführer.
Warum er so aussah und die anderen Gestalten nicht, war mir ein Rätsel, und er trug auch als einzige Person eine Waffe, eben diese primitive Sense, von der uns schon Claudine berichtet hatte und die bei ihm ebenfalls ein Zeichen des Todes war.
Er wollte somit allen anderen Personen klarmachen, mit wem sie es zu tun hatten.
»Was wird er tun?«, murmelte Godwin.
Die Frage war berechtigt, denn die Gestalt ging nicht weiter. Sie blieb dort stehen, wo sie war, und sie konzentrierte sich auf den Blick nach vorn.
»Wartest du auf eine Antwort?«
»Ja.«
»Die kann ich dir nicht geben.«
»Dann warten wir - oder?«
Genau das wollte ich nicht.
»Nein, wir werden nicht mehr länger warten. Ich schaue mir unsere Freunde näher an. Bleib du bitte als Rückendeckung im Wagen. Es ist auch möglich, dass wir schnell von hier weg müssen. Also halte die Stellung.«
Es ging um Teamwork, das wusste auch Godwin de Salier. Deshalb hatte er keine Einwände.
Er schaute zu, wie ich die Beifahrertür aufdrückte und den Wagen verließ. Ob ich in die Vergangenheit oder in die Gegenwart hineinging, das wusste ich selbst nicht…
***
Claudine war allein, und sie fühlte sich auch verdammt einsam. Sie wollte zwar nicht behaupten, dass sie sich unter den jetzigen Umständen in ihrer Scheune wohler gefühlt hätte, aber das kleine Zimmer war auch nicht das Wahre.
In diesem Loch fühlte sie sich wie eine Gefangene, die man in eine Zelle gesteckt hatte, wo sie nun hockte und aus eigener Kraft nicht mehr rauskam.
Das stimmte nicht. Sie hätte das Fenster öffnen und sich hinauslehnen können. Sie hätte auch über die Treppe nach unten gehen und anschließend einfach verschwinden können.
Beides tat sie nicht, denn trotz dieser Enge fühlte sie sich hier in ihrem Zimmer besser aufgehoben, denn draußen lauerte die Gefahr.
Ja, eine tödliche Gefahr!
Sie wusste es. Je mehr sie darüber nachgedacht hatte, umso deutlicher war es ihr geworden. Sie lebte noch, und sie war eine Zeugin. Und wer immer hier auf Mordtour war, der würde sich letztendlich auch sie vornehmen und grausam töten.
Claudine beschäftigte sich auch mit den beiden ungewöhnlichen Männern, die ihr zur Seite gestanden hatten. Beide waren ihr fremd, aber sie hatte zu ihnen Vertrauen gefasst, was bei ihr sonst nicht so schnell ging.
Sie glaubte daran, dass sie ihr helfen würden, auch wenn es im Moment nicht danach aussah und sich
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