1539 - Im Wald der Wölfe
schien.
Suko ließ den Wagen ausrollen.
»Da wären wir.«
»Genau.« Ich schnallte mich los und ließ die Tür aufschwingen, um den Gehsteig vor dem Haus zu betreten. Dabei ließ ich meinen Blick über die Fassade der Polizeistation gleiten, die einen hellgrauen Putz erhalten hatte. Zwei Fenster unterbrach sie. Über der Station befand sich noch eine Etage, bevor das schräge Dach begann.
Es war alles okay. Einen Verdacht ließ dieses Bild nicht aufkommen. Ich näherte mich als Erster der Tür. Dass Suko mir folgen würde, sah ich als selbstverständlich an und wunderte mich darüber, hinter mir eine fremde Männerstimme zu hören.
»He, warten Sie mal.«
Ich stand still und drehte mich um.
Ein Mann hatte die Straße schon fast überquert. Auf seinem Kopf saß eine blaue Strickmütze, und er hatte den etwas schwerfälligen Gang eines älteren Menschen.
Suko hatte ihn ebenfalls gehört und schaute ihm bereits entgegen.
Der Mann trat auf den Gehsteig. Sein Gesicht war leicht gerötet, und wir sahen, dass er nicht mehr der Jüngste war.
»Wollen Sie zu Ted Franklin?«
»Ja«, erwiderte Suko.
»Der ist nicht da.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich habe ihn weggehen sehen.«
»Aha.«
»Da haben Sie Pech gehabt.« Der Mann stemmte die Hände in die Hüften. Er betrachtete uns mit einem scharfen Blick. »Ich bin übrigens Sam Warren, der Vorgänger des jetzigen Konstablers.«
»Aha, ein Kollege«, sagte Suko.
Warren stutzte. »Wieso Kollege?«
»Wir sind ebenfalls Polizisten. Nur kommen wir aus London. Scotland Yard.« Um die Richtigkeit seiner Worte zu beweisen, präsentierte Suko seinen Ausweis.
Den schaute sich Warren sehr genau an und schaffte ein Kopfschütteln, als könnte er das alles nicht begreifen. Er gab Suko den Ausweis zurück und meinte: »Also doch.«
Ich war inzwischen so nahe herangekommen, dass ich alles hatte verstehen können.
»Was meinen Sie damit?«
Jetzt schaute er mich an, und ich sagte ihm meinen Namen. Er nickte und hob die Schultern. »Was soll ich dazu sagen? Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so schnell reagieren würden, wobei doch noch gar nicht klar ist, ob das alles stimmt.«
»Was meinen Sie denn damit?«, fragte ich.
»Nun ja, diese - hm - Entdeckung.«
»Sie meinen den Wolf?«, sagte Suko.
Sam Warren senkte den Kopf und tat so, als würde er sich schämen.
»Ja«, gab er zu, »den meine ich.«
Ich blieb am Ball. »Haben Sie den Wolf denn ebenfalls gesehen?«
Warren erschrak. »Nein, nein, wo denken Sie hin! Auf keinen Fall. Ich habe ihn nicht gesehen, und ich kann Teds Erzählung auch immer noch nicht glauben.«
»Es war kein normaler Wolf, den er gesehen hat«, gab Suko zu bedenken.
»Umso schlimmer.«
»Haben Sie denn eine andere Erklärung?«
Sam Warren überlegte einen Moment, bevor er den Kopf schüttelte.
»Nein, die habe ich nicht.«
»Wir haben Beweise.«
»Welche?«
»Fotos.«
Nach Sukos Antwort lief Warren rot an. »Ja«, gab er zu, »die habe ich auch gesehen. Nur sind sie für mich kein Beweis. Das kann mir keiner erklären, wirklich nicht.«
»Warum nicht?«
»So etwas kann es nicht geben.«
Ich mischte mich wieder ein. »Ihr Kollege hat uns die Fotos gemailt«, erklärte ich. »Und auf ihnen war zu sehen, wer sich in dieser Zelle aufgehalten hat. Von einem normalen Menschen kann man da beim besten Willen nicht sprechen.«
»Das weiß ich alles. Glauben kann ich es trotzdem nicht. So etwas kann es nicht geben. So etwas kann ich nicht akzeptieren. Das ist kein Wolf gewesen. Ich glaube, dass sich der gute Ted Franklin da etwas eingebildet hat.«
»Und wie ist er dann an das Foto gekommen?«
Waren hob die Schultern. »Man kann doch heute vieles manipulieren.«
»Kann man, aber daran glauben wir nicht. Wir sind davon überzeugt, dass diese Fotos echt waren, sonst wären wir nicht gekommen. Gehen Sie einfach davon aus, dass es auf dieser Welt noch Phänomene gibt, die rational nicht zu erklären sind. So muss man die Dinge sehen.«
Der pensionierte Polizist sah aus, als wollte er uns glauben. Zugleich hatte er seine Zweifel. Er holte durch die Nase Luft und meinte dann: »Ich weiß auch nicht, was ich glauben soll oder nicht. Tut mir leid.«
»Und Ihr Kollegen ist weggegangen, oder?«
Warren nickte.
»Und was ist mit dieser Kreatur geschehen?«, fragte Suko »Keine Ahnung.«
»Sie müsste doch eigentlich noch in der Zelle sein«, sagte ich.
Warren überlegte einen Moment. Dann sagte er mit leiser Stimme: »Das weiß ich nicht.
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