1539 - Im Wald der Wölfe
Sam?«
»Wie du siehst.«
»Aber wie kommst du in den Laden?«
Der Mann mit dem kahlen Kopf lächelte. »Ich bin so etwas wie ein Aufpasser. Wenn man nichts mehr zu tun hat, sucht man eine Aufgabe. Um meine Frau brauche ich mich nicht viel zu kümmern, die hat genug mit ihrem Garten zu tun, und da habe ich mich angeboten, der schönen Karen ein wenig zur Hand zu gehen. Ich helfe hier im Geschäft. Ich packe Waren aus, ich räume sie ein und halte die Stellung, so lange sie nicht hier ist. Als Bulle brauchte man mich ja nicht mehr.«
»Du hast dein Alter, Sam.«
»Ich weiß, aber ich bin trotzdem fit.« Auf seinem Gesicht malte sich ein wütender Ausdruck ab. Dann reckte er sein Kinn vor und sagte: »Was wollt ihr hier?«
»Mit Karen Foster reden«, sagte ich. »Aha. Sie ist aber nicht hier.«
»Und wo steckt sie?«
»Das weiß ich nicht«, erklärte Sam Warren.
Es war nicht leicht für mich, ihm zu glauben. Die Erklärung, die er uns gegeben hatte, reichte mir nicht. Das Misstrauen gegen ihn wuchs mit jeder Sekunde an. Trotzdem blieb ich gelassen und fragte: »Wann kommt sie denn zurück?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Ungefähr?«
»Verdammt, woher soll ich das wissen?«
»Gut, dann werden wir hier auf sie warten.«
Bisher hatte er sich noch zusammen gerissen. Jetzt war das vorbei, und er schrie: »Was wollen Sie?«
»Hier auf die Hausherrin warten.« Ich deutete an ihm vorbei. »Und zwar im Haus.«
»Nein!«
»Doch. Wir haben unsere Gründe. Ich möchte Sie bitten, Platz zu machen, Mr Warren.«
Der pensionierte Kollege sah aus, als wollte er mir an die Gurgel gehen.
Aber er machte gute Miene zum bösen Spiel, hob die Schultern und trat zur Seite, damit wir vorbeigehen konnten.
Als Ted mit ihm auf gleicher Höhe war, sprach Warren seinen Nachfolger an. »Von dir hätte ich das nicht erwartet.«
»Warum nicht? Ich bin dem Gesetz verpflichtet. Das bedeutet auch, dass wir ein Verbrechen aufzuklären haben. Dabei gehen wir davon aus, dass Karen Foster uns helfen kann. So sieht die Lage aus.«
»Verbrechen?«
»Ja, Sam.«
Warren lachte. »Welches Verbrechen sollte Karen Foster denn begangen haben?«
»Ich habe nicht gesagt, dass sie es getan hat. Aber sie könnte uns Auskünfte geben. Außerdem habe ich sie im Wald getroffen, und ich frage mich, was sie dorthin getrieben hat.«
»Das weiß ich doch nicht. Du hättest sie ja fragen können.«
»Dazu kam es nicht. Und ich hasse es auch, von einem Monster angegriffen zu werden.«
»Karen ist kein Monster.«
»Ich habe nicht von ihr gesprochen, Sam. Es gibt da nur einige Dinge, die mir nicht gefallen und die ich zusammen mit den Kollegen aus London klären möchte. Ihrem Einsatz verdanke ich mein Leben.« Er nickte Warren zu und ging tiefer in den Landen hinein, in deni wir uns bereits aufhielten und eine erste kurze Durchsuchung hinter uns hatten.
»Was sagen Sie dazu?«, flüsterte Franklin.
»Wozu?«
»Dass er - ich meine, dass Sam sich so verhält.«
»Wussten Sie das nicht?«
»Nein, Mr Sinclair. Sam Warren scheint ein verdammt enges Verhältnis zu ihr zu haben. Sonst hätte sie ihn nicht ins Haus gelassen, damit er es für sie bewacht, wenn sie nicht anwesend ist.«
»Oder über sie wacht«, sagte Suko.
»Sie meinen, dass er Bescheid weiß?«
»Es ist alles möglich.«
Sam Warren drängte sich durch einen schmalen Gang in unsere Nähe.
Seine Augen hatte er zu Schlitzen verengt, was seinem Gesicht einen lauernden Ausdruck verlieh.
»Na, haben Sie gefunden, was Sie suchten?«
»Nein«, sagte ich. »Wir suchen Karen Foster, und sie scheint wohl nicht hier zu sein.«
»Sie sagen es.«
»Aber ich habe etwas anderes gesehen, über das ich im Moment noch nachdenke. Da gibt es eine Tür in der Seitenwand. Mich würde interessieren, was sich dahinter befindet.«
»Nichts Besonderes.«
»Dann kann ich das nicht Besondere ja mal anschauen.«
»Warum?«
Ich lächelte Warren ins Gesicht. »Wenn mich nicht alles täuscht, gibt es oben noch eine Etage. Wie ich hörte, lebt Karen Foster dort. Vielleicht ist sie zurückgekehrt, ohne dass Sie es gemerkt haben, Mr Warren. Wäre doch interessant, es herauszufinden.«
Noch eine zweite Tür war mir aufgefallen. Sie befand sich an der Rückseite und führte nach draußen. Ich glaubte nicht daran, dass ich die Frau dort finden würde. Das sagte mir einfach mein Gefühl. Für einen winzigen Moment hatte sie im Licht der Scheinwerfer gestanden. Eine Frau in einem goldfarbenen Kleid, das überhaupt
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