1539 - In der Eastside
Schwierigkeiten mit dem Licht und dem Rauch, der in der Luft lag. Ihre Augen tränten unaufhörlich.
Aber als Tekener die schwelende Glut in der Schale löschen wollte, winkte Dao-Lin-H’ay hastig ab. „Niemand löscht dieses Zeug aus, wenn es erst einmal brennt", erklärte sie und nieste heftig. „Es würden sich feste Rückstände in der Asche bilden, und das könnte irgend jemandem auffallen."
Ihre Augen waren gerötet, und ihr Gesicht war dunkel vor Nässe.
Ungeduldig wartete er darauf, daß sie endlich zu einem Ergebnis kam. „Sieh an", sagte sie nach einer Weile. „Mir scheint, Mei-Mei-H’ar hat soeben einen schwungvollen Schritt in Richtung auf ihre Zwangspensionierung getan. Das Weib hat wohl nicht mehr alle Sinne beisammen! Hat diese ehrenwerte Höchste Frau etwa tatsächlich gedacht, daß sie damit durchkommen würde?"
„Was hat sie angestellt?"
Dao-Lin-H’ay hatte es plötzlich eilig. Sie benutzte eines der Geräte auf dem Arbeitstisch der noch immer schlafenden Kartanin, um eine Kopie der Informationen herzustellen. „Wir haben alles, was wir brauchen", sagte sie dabei. Sie wirkte nervös. Die Bewegungen ihrer Hände waren fahrig und unsicher. „Je schneller wir von hier verschwinden, desto besser."
Damit sprach sie dem Terraner aus dem Herzen. Er eilte zur Hintertür, schob den Vorhang beiseite und spähte auf den Gang hinaus.
Niemand zu sehen - er atmete auf.
Dann sah er sich nach Dao-Lin-H’ay um.
Sie verstaute gerade den Datenträger in einer Tasche ihrer Kombination. „Die Luft ist rein", sagte er leise - er war sicher, daß sie ihn trotzdem verstehen würde. „Komm!"
Er war schon fast draußen, als er ihre Stimme hörte. Sie klang kläglich. „Ron!"
So nannte sie ihn nur sehr selten. Bei den Kartanin galt es als äußerst unhöflich, Namen abzukürzen, solange kein zwingender Grund dazu bestand - zum Beispiel in Augenblicken der Gefahr.
Alarmiert fuhr er herum.
Sie tastete sich mühsam vorwärts und suchte dabei Halt an allem, was ihr in die Quere kam. „Ich kann nichts sehen, Ron", sagte sie. „Nur helle und dunkle Flächen."
Er eilte zu ihr, legte den Arm um ihre Schultern und führte sie auf den Gang hinaus. „Das sind nur die Tränen in deinen Augen", versicherte er und versuchte damit, auch sich selbst zu beruhigen.
Ihre Reaktion auf dieses ominöse Challanga bereitete ihm Sorgen. „Das kömmt von dem Rauch.
Es wird gleich vorübergehen."
Sie ging nicht darauf ein. „Wir müssen nach links", flüsterte sie. „Und dann immer weiter nach unten."
Wenigstens schien sie ihren Orientierungssinn nicht verloren zu haben.
Er stützte und führte sie, und so flohen sie gemeinsam aus dem Stadthaus der Familie H’ar.
*
Sie kauerte auf einem der Felsblöcke, niesend, fauchend und fluchend, und steckte das Gesicht in das eiskalte Wasser: Eine Roßkur, wie sie selbst es nannte - sie liebte solche terranische Ausdrücke.
Es schien zu helfen, denn ab und zu richtete sie sich auf und erprobte ihre Augen, indem sie vorsichtig blinzelnd in die Gegend schaute.
Beim erstenmal hatte sie an Tekener vorbeigeblickt. Erst da war ihm klar geworden, daß sie tatsächlich vorübergehend praktisch blind gewesen war. Beim zweitenmal ging es schon besser, und nach fünfzehn Minuten war sie zwar naß wie eine gebadete Katze, aber ihre Augen wirkten wieder einigermaßen normal. „Den Rest muß ich im Hotel erledigen", sagte sie - ihre Stimme klang ungewohnt heiser.
Sie wischte an ihrem Hals herum. Dicke Wassertropfen liefen ihr in den Kragen ihrer Kombination hinab, und das gefiel ihr offensichtlich überhaupt nicht. „Laß uns von hier verschwinden", schlug sie vor. „Mit Vergnügen", erwiderte Tekener erleichtert. „Aber den Spaziergang über die Felsen sollten wir diesmal weglassen. Da vorne ist noch ein anderer Tunnel. Meinst du, daß wir den benutzen können?"
Sie sah sich um und blinzelte an der Felswand hinauf. Über dem Tunnel, auf den Tekener deutete, sah das Gestein aus, als hätte man es bearbeitet.
Etwas weiter oben waren ein paar schmale Öffnungen zu erkennen - wie Schießscharten sahen sie aus. „Eines der alten Magazine", stellte sie fest. „Ich habe keine Ahnung, was man jetzt darin aufbewahrt, aber eigentlich sollte.es möglich sein, von dort aus ins Freie zu gelangen. Ich hoffe nur, daß uns niemand dabei beobachtet."
Das hoffte der Terraner auch. Er wußte noch immer nicht, welcher Art die Informationen waren, die Dao-Lin-H’ay dem Halsband
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