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154 - Die Macht der Nosfera

154 - Die Macht der Nosfera

Titel: 154 - Die Macht der Nosfera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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Bindegewebe die weit aufgerissenen Höhlen füllte. Von Zeit zu Zeit durchliefen ihn spastische Zuckungen, doch seine Stimme war volltönend und klar.
    »Vor uns liegt die Zeit der neuen Dunkelheit«, wiederholten die Telepathen an seiner Seite, mit denen er sich geistig zusammengeschlossen hatte. Ihre Stimmen hallten von der gewölbten Decke wider, wie die Antwort eines weiteren, in den Wänden versteckten Chors.
    Dichte süßliche Rauchschwaden hingen in der Luft. Sie stiegen von vier bronzenen Schalen auf, in denen berauschende Kräuter verbrannten. Fackeln tauchten den Meditationsraum in eine weiches, unruhig flackerndes Licht, trotzdem war die Anstrengung des Greises deutlich zu erkennen.
    »Die große Sonne ist vorzeitig erloschen«, fuhr er fort.
    »Projekt Daa'mur ist gescheitert.« Seine Halsstränge traten so stark hervor, dass seine durchscheinende Haut kurz vor dem Zerreißen stand. Selbst für einen Nosfera wirkte Wladov äußerst schmal und zerbrechlich. Die Anstrengung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Dicke Schweißperlen rannen von seiner Stirn durch das Labyrinth der Hautrisse zum Hals hinab.
    »Lass es gut sein, braver Geistmeister!«, rief Erzvater, der das ganze Schauspiel aus einer dunklen Ecke des Raumes beobachtete. »Wenn Murrnau wollte, dass wir mehr erfahren, hätte er es dir bereits eingeflüstert. Erhole dich lieber, denn ich brauche dich noch. Dich und alle anderen Getreuen.«
    Einen Lidschlag lang sah es so aus, als ob der Greis der Anordnung des Ordensoberhauptes widersprechen wollte, dann entspannte er, senkte den Kopf und brachte seine Pupillen wieder zum Vorschein.
    »Aber was ist mit denen, die in den Krieg gezogen sind?«, fragte er, mit beinahe flehender Stimme. »Wir müssen doch wissen, wer von unseren Brüdern und Schwestern noch lebt und wie es ihnen geht.«
    »Nein«, widersprach Erzvater, und seine Stimme hatte etwas Endgültiges. »Unsere Degenmeister sind Bluttempler, die auf sich allein aufpassen können. Wenn es Murrnaus Wille ist, so werden sie eines Tags zurückkehren. Wenn nicht, so haben sie schon längst den großen Blutstrom durchschwommen und leben nun in einer besseren Welt. Unsere vordringlichste Aufgabe ist es, Murrnaus Willen in Moska zu erfüllen. Er verlangt, dass die Nosfera wieder zum ersten Volk unter dem belebenden Licht des Mondes aufsteigen. Das sind wir ihm auch schuldig, nachdem er uns den Sohn der Finsternis geschickt hat, um die Zeit, in der die Sonne wieder wächst, erfolgreich abzuwehren.«
    Wladov neigte sein schütteres Haupt, dessen Schädelplatte sich deutlich unter der faltigen Pergamenthaut abzeichnete.
    »Wie du wünscht, Erzvater«, sagte er. »Deine Weisheit überstrahlt den gesamten Orden. Wer bin ich, dass ich dir zu widersprechen wage?«
    »Oho.« Erzvater beugte sich in seinem Tragestuhl nach vorn. Das Holz knarrte unter der Bewegung. »Das soll wohl heißen, dass du mir zwar gehorchst, aber anderer Meinung bist! Nun, was stört dich daran, wie ich Murrnaus Willen umsetze? Heraus damit!«
    Die Stimme des Ordensoberhauptes klang heiter, doch sein Gesicht lag tief unter der roten Ordenstracht verborgen, deshalb ließ sich seine wahre Stimmung nicht wirklich bestimmen.
    Die Männer und Frauen des Telepathenkreises hielten gemeinsam den Atem an, nur Wladov blieb die Ruhe selbst.
    Ohne auf die knisternde Spannung in der Luft zu achten, streckte er beide Füße aus und nahm eine bequemere Sitzposition ein.
    »Ich frage mich nur, ob es wirklich klug ist, gerade jetzt die Stadtherrschaft anzustreben«, erklärte er, nach einer wohl gesetzten Pause. »Unsere besten Degenmeister sind für den Sohn der Finsternis in den Krieg gezogen, die Reihen des Ordens dementsprechend gelichtet. Vielleicht wäre es besser, auf die Rückkehr der Überlebenden zu warten, bevor wir uns in neue Kämpfe stürzen. Freiwillig werden die Menschen das Gleichgewicht in dieser Stadt nicht aufgeben.«
    »Klug gesprochen«, lobte Erzvater, der seine Entscheidungen nur selten in großer Runde diskutierte. Dass er das Gespräch in Gegenwart des gesamtes Zirkels suchte, zeigte, wie sicher er seiner Sache war. »Du musst bedenken, dass Barbaren und Erdhöhlenmenschen ebenfalls Truppen ausgeschickt haben. Auch sie sind geschwächt, sehr geschwächt sogar. Das macht die Gelegenheit so günstig. Und dann gibt es da noch etwas: Die Erleuchtung, die euer Kreis gestern hatte.«
    Wladov nickte traurig, als wäre ihm die angesprochene Trance unangenehm. »Die

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