1542 - Die Würgehand
hätten.
Er wollte weg, und es machte ihm dabei nichts aus, dass er uns den Rücken zudrehte.
Es war schwer, ihn mit einer Kugel zu stoppen, da er in dieser knappen Zeitspanne einen ziemlichen Vorsprung herausgeholt hatte. Aber so leicht gaben wir nicht auf, besonders Suko nicht, der sich durchaus zutraute, den Würger einzuholen.
Suko war ein Kraftpaket. Ein Kämpfer und manchmal ein kleines Wunder an Kondition. Deshalb überließ ich ihm die Verfolgung und wollte mich um die Frau kümmern.
Es kam alles anders. Ich drehte mich auch nicht um. Ich sah Suko, ich sah ihn rennen, und ich sah auch den Würger, der seine Flucht ebenfalls fortsetzte.
Ich brauchte nicht zu warten, bis Suko den Mann eingeholt hatte. Das konnte ich vergessen, denn wir erlebten beide, was die Zeugen gemeint hatten, als sie von einer riesigen Hand sprachen.
Die war plötzlich da, und man konnte sagen, dass sie aus dem Nichts entstanden war. Sie schwebte über dem Kopf des Flüchtenden. Sie war ein regelrechtes Monstrum, fiel plötzlich nach unten, und dabei spreizten sich Daumen und Zeigefinger, sodass sie zufassen konnte.
Chikaze rannte weiter, wurde förmlich vom Boden gepflückt und in die Höhe gerissen.
Mitten im Lauf geschah das. Dabei wurde er zum Liliputaner degradiert.
Als er zwischen Daumen und Zeigefinger hing, trampelte er noch mit beiden Beinen, als suchten seine Füße einen festen Halt, den er natürlich nicht mehr hatte. Er benötigte ihn auch nicht, denn er wurde auch so gerettet.
Die Klaue zerrte ihn in die Höhe auf eine Wolke zu, die wie ein künstliches Nebelgebilde aussah, das innerhalb einer Sekunde entstanden war und die Hand und den Würger verschluckte, als sollten sie nur noch eine letzte böse Erinnerung sein.
Suko war stehen geblieben. Er hatte die Sinnlosigkeit seines Unterfangens erkannt. Er hob die Schultern und drehte sich langsam um.
Danach ging er den Weg zurück, nur wesentlich langsamer.
Ich sah seinem Gesicht an, dass er enttäuscht war, und auch ich dachte nicht anders.
Suko ging an mir vorbei. Im Wohnzimmer blieb er neben der Couch stehen, auf der der leblose Mann lag, und ging dort in die Knie.
Ich hörte drinnen Mrs. Flagstone keuchen und betrat ebenfalls das Wohnzimmer.
Suko hatte den Mann mittlerweile auf den Rücken gedreht.
»Ich glaube, John, man hat ihm das Genick gebrochen…«
***
Es war keine zu große Überraschung für mich. Trotzdem schloss ich für einen Moment die Augen und glaubte, einen leichten Schwindel zu verspüren. Automatisch stiegen Vorwürfe in mir hoch, und so fragte ich mich, ob wir einen Fehler begangen hatten und nicht schneller den Weg hierher hätten finden können.
Es brachte mir nicht viel, wenn ich weiterhin darüber nachdachte. Es war nun mal geschehen, und damit hatte es sich.
»Die Hand«, sagte Suko, »es kann nur die Hand gewesen sein.«
»Warum?«
»Weil man ihm das Genick gebrochen hat.« Suko hatte die Antwort leise gegeben, weil er nicht wollte, dass Mrs. Flagstone ihn hörte.
Ich stöhnte leise auf. »Und wir wissen jetzt, dass es sie tatsächlich gibt und auch mit diesem Chikaze im Bunde steht. Verdammt noch mal, das ist nicht gut.«
»Du sagst es.«
Mrs. Flagstone saß in einem Sessel und rieb ihren Hals, als könnte sie so die Schmerzen vertreiben, die sie sicherlich quälten. Dabei drangen undefinierbare Geräusche aus ihrem Mund. Ihre Augen hatten sich mit Tränenwasser gefüllt.
Suko und ich setzten uns in die anderen Sessel. Von dort konnten wir die Frau von zwei Seiten sehen. Auch sie schaute uns an. Dabei schluckte und schluchzte sie, während sie weiterhin ihren Hals rieb. Als sie die Hände für einen Moment davon löste, sahen wir die Druckstellen, die die Würgefinger des Mörders hinterlassen hatten.
»Meine Kehle ist so rau«, flüsterte sie mit einer völlig fremden Stimme.
»Können wir Ihnen irgendwie helfen?«
Sie schaute mich an und schüttelte den Kopf. »Ich möchte etwas trinken, aber ich kann es nicht. Meine Kehle ist wie aufgerissen. Alles tut weh.«
»Es wird vergehen«, tröstete ich sie.
Mrs. Flagstone schaute uns aus feuchten Augen an. »Wer sind Sie eigentlich?«
Ich stellte Suko und mich vor, was bei der Frau ein Stirnrunzeln hinterließ. Sie überlegte und meinte dann: »Ja, Ihre Namen habe ich schon mal gehört. Mein Mann hat mal von Ihnen gesprochen, aber jetzt ist er tot.«
»Wir konnten es leider nicht verhindern.«
»Machen Sie sich keine Vorwürfe«, flüsterte sie rau. »Irgendwie hat mein
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