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1542 - Die Würgehand

1542 - Die Würgehand

Titel: 1542 - Die Würgehand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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vermochte. Alles war so anders und fremd geworden. Sie fühlte sich wie auf einer schwankenden Insel, und irgendwann kam ihr die Wahrheit in den Sinn, die sie noch nicht akzeptieren wollte. Leise fragte sie deshalb: »Ist er tot?«
    Chikaze kicherte. »Glaubst du, dass man so etwas überleben kann? Meine Abrechnung ist vollkommen. Verstehst du das nicht?«
    »Ja, schon.«
    »Dann ist es okay.«
    »Nein, das ist es nicht. Draußen liegt mein Mann.«
    »Na und?«
    »Ich kann ihn dort nicht einfach liegen lassen«, flüsterte sie mit heiserer Stimme. »Nein, das bringe ich nicht über mich. Er ist ein Mensch und kein Tier.«
    »Was willst du denn tun?«, höhnte Chikaze.
    »Ich werde ihn ins Haus holen!« Sie nickte heftig. »Ja, ich will ihn hier im Haus haben, an einem würdigen Ort. Und du wirst mich nicht daran hindern. Es sei denn, du bringst mich um.«
    Er lachte eklig. »Kann sein, dass ich das sogar tue.«
    Es war seltsam, aber die Worte machten ihr nichts aus. Sie ließ sich auch nicht abhalten und bewegte sich mit kleinen und steifen Schritten auf die Tür zu, die sich an der rechten Seite des breiten Fensters befand.
    Sie musste aufgehebelt werden, um ins Freie treten zu können.
    Lydia drehte sich nicht einmal mehr um. Es war ihr egal, was in ihrem Rücken geschah. Und wenn sich die Hände des Würgers um ihren Hals legten, spielte das auch keine Rolle mehr.
    Aber Chikaze tat nichts. Er ließ sie gehen, und so hebelte Lydia die Tür auf. Um ihren Mann zu erreichen, musste sie nach links gehen.
    Sie drehte den Kopf und spürte den kalten Wind auf ihrer Haut, als wäre dieser aus dem Totenreich gekommen.
    Dann setzte sie sich wieder in Bewegung. Kleine Schritte. Sie lief wie ferngelenkt. Sie kam sich so leer vor, und erst als sie vor dem leblosen Körper stehen blieb, da überkam es sie.
    Die Tränen strömten aus ihren Augen. Sie verwischten ihren Blick, und so musste sie zweimal zugreifen, um den Körper berühren zu können. Er war schwer, aber daran dachte Lydia nicht. Was sie in diesen Momenten schaffte, hätte sie selbst nicht für möglich gehalten.
    Gordon sollte im Haus liegen. Dort aufgebahrt sein. Wie es die Menschen in früheren Zeiten mit ihren Toten getan hatten.
    Chikaze half ihr nicht. Er schaute amüsiert zu, wie sie ihren Mann schwer atmend ins Wohnzimmer trug. Seine Lippen hatten sich dabei verzogen. Er sah, dass Lydia bis zur Couch ging, auf die sie ihren Mann legte.
    Da er auf dem Rücken lag, gelang es ihr endlich, einen Blicke in sein Gesicht zu werfen.
    Lydia hatte sich den Anblick schlimmer vorgestellt. Ihr Mann lag auf der Couch, als würde er schlafen. Es waren keine Verletzungen im Gesicht zu sehen. Er war nur so blass, und in den Augen stand noch der Schrecken, den er in den letzten Sekunden seines Lebens durchlitten hatte, als ihm bewusst geworden war, dass ihn die übergroße Hand zerschmettern würde.
    Nur lag sein Kopf leicht verdreht, und so ging Lydia davon aus, dass der Mörder ihm das Genick gebrochen hatte.
    Sie weinte nicht.
    Sie sah Gordon an, und er kam ihr wie ein Fremder vor. Es mochte auch an der Nähe des Würgers liegen, dessen scharfen Atem sie hinter sich hörte.
    »Na, bist du zufrieden?«
    Eine widerliche Frage. Lydia Flagstone schloss die Augen. Sie hatte gesehen, wer ihren Mann so brutal getötet hatte, aber sie schob dem Würger die gleiche Schuld zu.
    Und sie wunderte sich über sich selbst, als sie ihm die Antwort gab.
    »Ich bin erst zufrieden, wenn du ebenso tot bist wie mein Mann. Die Strafe, die man dir gegeben hat, war zu human für dich…«
    Chikaze konnte nicht mehr. Er musste einfach lachen. Von hinten her schob er sich an die Frau heran und fasste nach ihrem linken Arm. In diesem Augenblick explodierte Lydia. Sie schrie, fuhr herum und riss den freien Arm in die Höhe.
    Damit schlug sie zu. Da Chikaze mit dieser Aktion nicht gerechnet hatte, musste er den Treffer voll hinnehmen. Das Klatschen wies darauf hin, dass sie das Gesicht getroffen hatte, und sie hörte auch einen wilden Fluch.
    Sie drehte sich um.
    Der Würger stand bewegungslos auf der Stelle und glotzte sie an.
    Es tat ihr gut, zu sehen, dass von seiner Unterlippe Blut als schmaler Streifen über das Kinn rann. Das Gesicht war nicht verzerrt. Chikaze hatte sich perfekt in der Gewalt, aber in seinen Augen schimmerte die reine Mordlust.
    »Ich hatte eigentlich nicht vor, dich zu töten!«, flüsterte er ihr zu. »Jetzt aber werde ich diesen Gedanken vergessen und hier zwei Tote

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