1545 - Vampirtränen
später wusste er Bescheid. Das sah nicht nur so aus wie eine Klappe, das war auch eine!
In seiner Brust zog sich alles zusammen.
Wenn er sich mit der Gestalt hätte unterhalten können, dann hätte er ihr ein Kompliment gemacht. Es war das perfekte Versteck. In diesem Grab lag bestimmt dicht unter der Erde so etwas wie eine Kiste oder ein Sarg, und der war jetzt geöffnet worden.
Es ging weiter. Noch hatte es Galina nicht völlig geschafft, ihre Schlaf statte zu verlassen. Sie musste sich noch anstrengen und auch mit der Hand aufstützen, um endlich an die kühle Luft zu gelangen, die sie gar nicht spüren würde, denn als Vampirin reagierte sie nicht wie ein normaler Mensch. Der Kopf erschien. Leider war es zu finster, um alles genau erkennen zu können. Reddy sah nur ein bleiches Gebilde und die Andeutung von Haaren, die an ein verfilztes Gestrüpp erinnerten.
Sie quälte sich weiter hoch. So glatt wie er es sich vorgestellt hatte, ging es nicht. Sie hatte schon Mühe, ihr Versteck zu verlassen, und sie stützte sich noch mal auf.
Der Rest war kein Problem mehr, und plötzlich stand tatsächlich eine Frau unter dem Baum.
Reddy hielt den Atem an. Jetzt, wo es so weit war, überkam ihn schon ein bedrückendes Gefühl. Da zog sich in seinem Innern etwas zusammen, und er ging davon aus, dass es bei seinen Verbündeten auch der Fall war. Zum Glück machte sich niemand bemerkbar, und so würde die Untote den Weg zu ihrer Beute erst suchen müssen.
Sie tat genau das, was Reddy sich vorgestellt hatte. Galina blieb vor ihrem Grab stehen und bewegte nur den Kopf. Sie drehte ihn in verschiedene Richtungen. Aus ihrem Mund löste sich dabei ein leises Stöhnen oder Knurren. Sie suchte wahrscheinlich nach dem Blut, dessen Geruch ihr in die Nase stieg, und dieser Geruch würde sie wild machen.
Noch ging sie nicht.
Aber ihr Kopf zuckte vor und zurück.
Dann ging sie den ersten Schritt!
Das war genau der Moment, auf den Reddy und seine Freunde gewartet hatten. Sie hatten vorher schon darüber gesprochen. Sollte die Blutsaugerin ihre Schlaf statte verlassen, war ihre Zeit gekommen. Dann würden sie angreifen und sie vernichten.
Sie ging noch weiter.
Nach dem dritten Schritt hatte sie den Schutz des Baumes verlassen, und sie bewegte sich allmählich immer geschmeidiger. In der Dunkelheit war nur ihr blasses Gesicht zu sehen. Ob sie den Mund offen hielt und ihre spitzen Zähne präsentierte, das konnten die Männer nicht mal ahnen.
Bisher hatte Reddy auf der Stelle gestanden. Wenn er an den Kampf gedacht hatte, dann nur gedanklich. Jetzt war die Zeit gekommen, um endlich das zu tun, weshalb sie hier waren.
»Wir greifen an!«, schrie er.
Eine Sekunde später war er unterwegs zu seinem Ziel…
***
Es war alles abgesprochen zwischen ihnen. Reddy hatte als Erster starten wollen. Seine Freunde würden ihm folgen, und innerhalb weniger Sekunden musste alles erledigt sein.
Seine Eichenholzlanze lag nicht mehr über der Schulter. Er hielt sie mit beiden Händen fest, sodass die Spitze nach vorn wies.
Sein Ziel war die Vampirin. Er lief über den weichen Boden, der viele Unebenheiten zeigte. Deshalb wirkten seine Bewegungen auch so unbeholfen, aber er kam der Vampirin immer näher.
Galina hatte ihn gesehen. Und nicht nur das. Sie hatte ihn auch gerochen, und sie fauchte ihn an wie eine Katze, als er auf sie zu kam.
Reddy ließ sich nicht beirren. Er sah, dass Galina ihren Mund weit geöffnet hatte. Sie war bereit für einen Biss, doch die Suppe würde er ihr versalzen.
Mit seiner Waffe hatte er schon unzählige Zielübungen gemacht. Es sollte schließlich nichts schiefgehen, und alles wies darauf hin, dass es auch klappen würde.
Doch das Schicksal hatte etwas anderes mit ihm vor. In seinem Fall war es der Untergrund, den er nicht mit in seine Rechung einbezogen hatte.
Er übersah einen kleinen Erdbuckel - genau in dem Augenblick, als er zustieß, um die Holzlanze in die linke Brust der Gestalt zu bohren.
Er geriet aus der Richtung.
»Scheiße!«, zischte er noch, dann torkelte er nach vorn und konnte sich nicht mehr fangen. Er fiel, die Lanze verfehlte ihr eigentliches Ziel, traf den Körper aber doch und bohrte sich in Magenhöhe tief in ihn hinein.
Reddy ließ seine Waffe los. Er landete auf dem Bauch, spürte den feuchten, kalten Lehm in seinem Gesicht und verlor im ersten Moment völlig die Übersicht.
Er wusste nur, dass in seiner Nähe eine gefährliche Gestalt stand, und der Gedanke gab ihm den nötigen
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