1545 - Vampirtränen
kümmern würden, das offiziell leer stand und um das die Leute aus dem nahen Ort normalerweise einen Bogen machten.
Doch diesmal sah es nicht so aus, als würden sie das Haus meiden wollen.
Sie blieben im Garten und warteten ab, bis die Dunkelheit hereingebrochen war.
Clara wusste, dass etwas passieren würde. Diese Nacht war für einen Vampir wie geschaffen, da konnte er einfach nicht in seinem Versteck bleiben.
So war es auch!
Clara stand so dicht vor der Scheibe, dass ihr Atem hätte gegen das Glas wehen müssen, was jedoch nicht der Fall war, denn es gab keinen Atem bei ihr.
Sie war kein Mensch, auch wenn sie so aussah.
Sie hätte auch keine Gefühle haben dürfen, da jedoch machte sie eine Ausnahme. Sie hatte Gefühle, sogar sehr starke, und die galten einer Person, die sie bisher immer beschützt hatte.
Und jetzt? Würde sie jetzt ihre Freundin und Ziehmutter Galina beschützen können?
Sie stöhnte leise auf, als sie sah, dass sich im verwilderten Garten etwas veränderte.
Als Wiedergängerin war sie in der Lage, auch im Dunkeln sehen zu können.
Sie sah, dass sich die Erde unter dem Baum bewegte. Sie bekam Druck von unten. Eine schwere Last war sie nicht, denn Galinas Schlafstätte lag dicht unter ihr, sodass sie gerade noch verdeckt wurde.
Clara wusste genau, was dort geschah. Der Deckel der verborgenen Kiste würde sich anheben, um die Person zu entlassen, die dort ihre Schlaf stätte hatte.
So war es auch.
Galina kam zurück!
Clara wäre am liebsten durch die Scheibe gesprungen, um ihr nahe zu sein. Davon nahm sie aber Abstand. Sie hoffte, dass Galina stark genug war, um sich allein behaupten zu können. Wenn sie auch nicht alle schaffte, es würde sicher für zwei reichen. Erst dann wollte Clara eingreifen und den Rest übernehmen.
Wenn sie an das Blut dachte, überkam auch sie die große Gier, und sie leckte über ihre Lippen. Sie brauchte es, sie wollte weiterhin existieren, und sie wusste, dass es keine andere Möglichkeit für sie gab.
Aber sie war auch voller Furcht, denn sie wusste, dass ihre Existenz zu Ende sein konnte und dass sie trotz ihrer übermenschlichen Stärke sehr achtgeben musste.
Daran musste sie denken, und deshalb hielt sie sich zurück, so schwer es ihr auch fiel.
Und so wurde Clara Zeugin eines Vorgangs, den sie sich wirklich nicht gewünscht hatte.
Galina kroch hervor. Die Erde rutschte vom Deckel, als er angehoben wurde. Die Hände streckte sie zuerst ins Freie, dann folgte der Körper, und darauf hatten die vier Männer nur gewartet. Sie waren längst kampfbereit, und sie hatten die perfekten Waffen mitgebracht, die sie nun einsetzten.
Es kam, wie es kommen musste, und Clara konnte nichts daran ändern.
Sie stand bewegungsunfähig hinter dem Fenster, und ihr Blick war an Starrheit nicht zu übertreffen.
Sie trauerte, sie fühlte in sich das Grauen hochsteigen. Und dann sah sie zu, wie Galina starb.
Etwas zerbrach in ihr.
Sie wusste nicht, was es war, aber es war vorhanden. Es konnte so etwas wie Trauer sein, und sie spürte einen starken Druck hinter ihren Augen.
Etwas baute sich dort auf, das sie nicht aufhalten konnte. Aber sie erinnerte sich daran, dass es so etwas wie ein menschliches Gefühl war, und sie war auch nicht in der Lage, es zu stoppen.
Der Druck hinter ihren Augen nahm zu, und er wanderte immer weiter nach vorn.
Dann war es so weit!
Plötzlich konnten die Augen nicht mehr halten, was sie störte. Etwas schob sich nach vorn. Es ließ den Blick verschwimmen und rann dann nass und mit einer gewissen Zähigkeit an den Wangen der jungen Vampirin entlang.
Feuchte Perlen waren es. Dunkle Tränen, die durch nichts zu stoppen waren, die sich schwer wie Blut anfühlten, und genau das traf sogar zu.
Tränentropfen, die aus Blut bestanden. Sie waren dunkel, und sie hatten eine rote Farbe.
Blutige Vampirtränen…
Es war kein Schluchzen zu hören, kein Luftholen, all das zählte bei einem Vampir nicht. Aber etwas Menschliches steckte trotzdem in Clara.
Das ließ sich nicht aufhalten.
Sie weinte. Sie weinte um Galina, die brutal gepfählt am Boden lag und ihrem Schicksal Tribut zollen musste, denn sie verging. Es gab nichts mehr, was ihren Körper noch zusammenhielt. Die Haut rollte sich ein, sie wurde brüchig und zerfiel zu Staub.
Dann war es vorbei.
Die vier Männer gerieten in einen regelrechten Freudentaumel. Sie beglückwünschten sich. Sie sahen sich als die großen Sieger an. Es war so gelaufen, wie sie es sich vorgestellt hatten,
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