1546 - Die Leichenfalle
noch sagen?«, fauchte Earl seinen Kumpan an.
»Ja, das musst du!«
»Wer hat denn den Mann erschossen? Du oder ich?«
»He, he…« Ein Lachen. Dann die Worte: »Du natürlich.«
»Eben.«
»Na und?«
Earl Fonda trat einen Schritt von seinem Kumpan weg. Er bekam große Augen und fing leicht an zu zittern. »Das sagst du dazu? Na und? Nicht mehr, verdammt?«
»Nein. Was soll ich denn sonst noch sagen? Wichtig ist die Beute, und die ist nicht eben gering, schätze ich. Damit können wir das nächste Jahr gut verbringen. Nicht hier auf der Insel, sondern irgendwo anders. Denk mal darüber nach.«
»Das kann ich nicht.«
»Toll. Und warum nicht?«
»Weil ich immer daran denken muss, dass ich einen jungen Menschen erschossen habe. Vielleicht einen Lehrling, einen, der - ach, verdammt!«
Earl schlug mit der rechten Hand ins Leere. »Das ist alles scheiße, verstehst du? Ich bin ein Killer. Dafür buchtet man mich bis ans Ende meiner Tage ein.«
»Falls man dich kriegt.«
»Ja, aber…«
Kline streckte ihm den rechten Zeigefinger entgegen. »Und das liegt an dir oder an uns. Es war ein Kollateralschaden, ließ sich nicht vermeiden und…«
»Hör auf damit. Du hast es nicht getan. Ich muss damit fertig werden. Ein Bankraub ist immer noch etwas anderes als ein Mord. Daran solltest du denken.«
»Muss ich ja nicht!«
»Arschloch!«
Alvin Kline lachte. Es klang sogar beruhigend. Tatsächlich war er mehr als froh, nicht selbst abgedrückt zu haben. Er hatte allerdings auch nicht ahnen können, wie nervös Earl reagieren würde. Ihm wäre das nicht passiert. Er musste auch zugeben, dass ein Mord Neuland für sie war.
Die anderen Überfälle waren allesamt ohne Blutvergießen abgelaufen.
»Okay, Earl, du hast dich ausgekotzt. Dann werden wir uns mal ein ruhiges Plätzchen suchen.«
»Suchen? Ich dachte, du hast alles vorbereitet.«
»Habe ich auch. Ein Stück weit müssen wir noch gehen. Der Friedhof ist ziemlich weitläufig«
»Okay, geh du vor.«
Kline wartete noch. Er schaute seinen Kumpan dabei an und fragte: »Bist du wirklich okay?«
»Ja, das bin ich. Ich versuche, nicht mehr daran zu denken. Ich muss ja okay sein, verdammt.«
»Stimmt. Dann komm mit.«
Earl Fonda wusste zwar nicht, wohin ihn sein Kumpan führen wollte, aber er vertraute ihm, denn Alvin hatte zuvor alles durchgecheckt und auch ein ideales Versteck gefunden, wie er behauptete. Es lag auf dem Friedhof, einem nicht sehr netten und freundlichen Ort, aber man konnte es sich eben nicht aussuchen.
»Bleib hinter mir, Earl.«
»Klar.«
Noch standen sie am Rand in der Nähe des dichten Unterholzes. Vor ihnen lag die freie Fläche des Friedhofs, und man konnte sie als ein düsteres und unheimliches Gelände einstufen. Zudem eines, das eine Geschichte hatte, denn auf diesem Totenacker lagen nicht nur die Menschen aus der Umgebung.
Hier waren auch Soldaten verscharrt worden, die für ihre adeligen Herren gekämpft hatten, die ebenfalls hier lagen. So schloss sich der Kreis.
Zu früheren Zeiten hatten die Menschen noch viel Wert auf große Grabsteine gelegt. Je einflussreicher und wohlhabender der Verstorbene war, umso prächtiger auch seine letzte Ruhestätte. Und so verwunderte es nicht, dass die meisten Grabsteine auf diesem Friedhof schon kleinen Denkmälern glichen. Es gab sogar einige Mausoleen.
Earl Fonda gefiel die gesamte Umgebung und auch die Atmosphäre nicht. Von Friedhöfen hatte er sich meist ferngehalten. Daran hatte sich auch nichts geändert, nachdem er erwachsen geworden war. Auch jetzt bekam er es mit einer leichten Angst und Unruhe zu tun. Es machte sich auf seinem Rücken bemerkbar, da wollte das Kribbeln nicht weichen. Er spürte auch einen leichten Druck um seinen Magen herum. Er hatte das Gefühl, dass dort etwas in seinen Eingeweiden zwickte.
Und es kam noch etwas hinzu.
Er konnte den Tod des jungen Angestellten in der Bank nicht vergessen.
Sein Gewissen hatte sich in eine Stimme verwandelt, die immer wieder rief: »Mörder - Mörder…«
Es war wie eine Folter, und er hätte am liebsten die verdammte MPi weggeworfen oder sie vergraben, denn ihr Gewicht erinnerte ihn unablässig an seine Tat.
Damit hatte Alvin Kline nichts am Hut. Er bewegte sich so sicher über das Gräberfeld hinweg, als wäre es sein zweites Zuhause. Selbst die Dunkelheit störte ihn nicht.
Earl Fonda war nervöser. Immer öfter blieb er stehen und schaute sich um. Er hatte das Gefühl, verfolgt zu werden, obwohl er keinen Menschen zu
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