1548 - Höllensturz
Das Schreien verwandelte sich in ein Wimmern und in ein leises Jaulen. Jetzt hatte ich das Gefühl, als würden sich Kinderstimmen aus weiter Ferne melden.
Die schrille Musik dieser unnatürlichen Umgebung sank in sich zusammen. Zwar wurde noch immer Sand in die Höhe geschleudert, doch er traf uns nicht mehr mit dieser wilden Wucht.
Das leise Rieseln war zu ertragen. Ein allerletztes Wehen noch, dann war es vorbei.
Wir hatten unsere Haltung nicht verändert und hielten uns nach wie vor umfangen. Wir lagen auf der weichen Unterlage wie zwei Tote, aber wir waren nicht tot, denn ich spürte plötzlich, wie Kathy zuckte und die ersten kratzigen Worte hervorbrachte.
»Ist es vorbei?«
»Ich glaube schon.«
Sie lachte, öffnete die Augen und schaute mich so an, wie auch ich sie ansah.
»Wir leben noch, John!«
»Das kannst du laut sagen.«
»Wir haben uns gerettet.«
»Klar, die Hölle hat uns nicht gewollt. Und genau das sollte uns Hoffnung geben.«
»Und was tun wir jetzt?«
»Uns umschauen, Kathy. Ich vermute, dass sich in unserer Umgebung einiges verändert hat. Nach Sandstürmen sieht eine Wüstenlandschaft manchmal völlig anders aus.«
»Okay.«
Das Sprechen fiel uns schwer. Überall war der verdammte Sand. In der Nase ebenso wie im Mund, und dass er über die Haut kratzte, weil er in jeder Pore unserer Kleidung steckte, das war sowieso klar.
Etwas schwerfällig rollten wir uns voneinander weg. Dabei dachte ich daran, welch ein großes Glück wir gehabt hatten, weil der Sturm nur recht kurz gewesen war.
Noch etwas fiel mir auf. Der Boden unter mir war nicht mehr so weich.
Ich verspürte eine gewisse Härte, als hätte der Sturm den Sand an dieser Stelle zur Seite geräumt.
Ich stand auf. Dabei rieb ich mir noch einige Sandkörner aus dem Gesicht und war froh, normal sehen zu können und keine entzündeten Augen zu haben.
Schon auf den ersten Blick fiel mir auf, dass sich etwas verändert hatte.
Unwillkürlich hielt ich den Atem an, denn was ich sah, konnte ich kaum glauben.
Es war nicht mehr die gleiche Gegend, und es waren auch nicht mehr die Massen an Sand um uns herum. Keine Hügel, keine Täler, wir befanden uns in einer Umgebung, die uns fremd war. Unter unseren Füßen lag keine Sandschicht mehr, wir standen beide auf einem harten und widerstandsfähigen Felsboden.
»Sag, dass ich träume«, flüsterte Kathy Hamilton und fasste nach meiner Hand.
»Du träumst nicht.«
Ich wusste, was sie meinte. Unser Blick war frei geworden. Wenn wir nach vorn blickten, schauten wir in einen Kessel aus Stein. Der Sand hatte eine große Felswand freigelegt, die in unserem direkten Blickfeld lag.
Es war nicht nur die Wand, die uns ins Staunen brachte. Es war das, was sich an ihrer Vorderseite abzeichnete.
Es war das Relief, das ich in der Uni gesehen hatte…
***
Manchmal muss eine gewisse Zeit verstreichen, um sich wieder fangen zu können. So war es auch hier. Unsere Überraschung war nicht eben klein gewesen.
Auch Kathy, die neben mir stand, war zunächst nicht fähig, etwas zu sagen. Sie starrte ebenfalls die Steinwand an und hob in einer hilflosen Bewegung die Schultern.
»Du weißt nichts?«, fragte ich.
»So ist es.«
»Aber du musst es kennen. Ich denke da auch an die Umgebung. Du und der Professor, ihr seid es doch gewesen, die dieses Relief entdeckt haben, oder nicht?«
»Das ist so.«
»Und bitte, Kathy, jetzt liegt es vor dir.«
Sie musste vor der nächsten Antwort husten. »Ja, das ist alles richtig, und doch stimmt es nicht. Ich kann es dir auch erklären. Die Umgebung hier sieht ganz anders aus. Als wir das Relief ausgruben, gab es hier eine Ansiedlung. Sie war mit Soldaten besetzt. Es gab eine Straße oder mehr eine Piste aber das hier ist fremd für mich.«
Ich glaubte ihr jedes Wort, und ich wusste auch die Erklärung. Wir hatten einen Zeitsprung gemacht und befanden uns in der Vergangenheit.
Möglicherweise Tausende von Jahren zurück, als die Wand mit dem Relief entstanden war.
»Verstehst du, John? Wir sind nicht mehr in unserer Zeit, denn wir haben den Sprung zurück nicht geschafft - wie ich beim ersten Mal.«
»Ja, das ist mir klar.«
»Dann sind wir in der Vergangenheit gefangen.« Sie hatte den Satz geflüstert, und ich sah, dass es sie Mühe kostete, die Beherrschung zu bewahren.
Kathy musste aufgebaut werden, und so sagte sich zu ihr: »Wir sollten nicht den Mut verlieren, meine Liebe. Wir haben den Sandsturm überstanden und werden auch das hier
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