1548 - Orbit im Nichts
seinem Antigravschuh getragen, schwebte ein Blau-Nakk. Er verhielt sich absolut reglos. Nur die fühlerähnlichen Antennen, die aus dem Oberteil der Sichtsprechmaske wuchsen, vibrierten ein wenig. Myles Kantor kannte sich in den Verhaltensmustern der Nakken nicht aus. Aber es kam ihm vor, als sei dieser Nakk beim Meditieren.
Er ließ ein paar Minuten verstreichen. Es war bekannt, daß Nakken, solange kein entsprechender Zwang bestand, keinerlei Bezug zu der Umwelt hatten, die der Mensch als die aktuelle Wirklichkeit empfand. Die Frage, ob er inmitten seiner fremdartigen Geräte schwebende Nakk seine nächtlichen Besucher überhaupt bemerkt hatte, erübrigte sich. Der Himmel mochte wissen, in welch übergeordneten Sphären sein Bewußtsein in diesen Sekunden weilte.
Schließlich begann Myles zu sprechen. „Nakk!" sagte er scharf. „Wir sind hier, um dir ein paar Fragen zu stellen."
*
Es dauerte eine Zeitlang, bis das fremdartige Wesen zu reagieren begann. Die Fühler hörten auf zu zitten. Der Nakk wandte sich halbwegs zur Seite und fuhr Sehstiele aus, mit denen er die Fremden eindringlich musterte. „Wer seid ihr?" drang es aus der Audioöffnung seiner Maske. „Terraner", antwortete Myles. „Wesen von derselben Art wie Sato Ambush, den du sicherlich kennst."
Eine halbe Minute verging; dann bequemte der Nakk sich zu der Äußerung: „Sato Ambush. Ich kenne ihn. Er arbeitet mit mir zusammen. Ich bin Chukdar."
„Wo ist Sato?" erkundigte sich Myles. „Auf Akkartil."
„Warum ist er nicht bei dir?" fragte Myles. Dann feuerte er einen Schuß ins Blaue hinein ab. „Bist du nicht hier, um nach dem Innersten zu suchen?"
„Dem Innersten, ja", antwortete der Nakk. „Ich suche. Mein Volk sucht. Wir werden finden. Sato Ambush ... seine Anwesenheit hätte mich gestört. Sein Bewußtsein gehört dem äußeren Kreis an. Er erzeugt ... minderwertige Schwingungen."
„Ich bin sicher, daß du das nicht wörtlich so meinst, wie du es eben gesagt hast", bemerkte Myles Kantor sarkastisch. „Wir gehören nämlich ebenfalls dem äußeren Kreis an, weil wir Terraner sind. Also müßten auch wir dich stören."
„Das ist der Fall", bestätigte Chukdar. „Ich bitte euch ... geht! Laßt mich allein."
„Wir gehen, wenn du uns erklärst, auf welche Art und Weise du nach dem Innersten suchst", sagte Myles. „Sind diese Geräte behilflich, Daten zu sammeln, Erkenntnisse zu gewinnen, Ereignisse anzupeilen?"
„Nein!" Die Stimme, die aus der Sichtsprechmaske drang, war ungewöhnlich schrill. „Du stellst mir keine Fragen. Ich gebe dir keine Antworten. Die Suche nach dem Innersten ist allein Angelegenheit meines Volkes!
Geht, geht ...!"
„Soviel Gastfreundschaft dürfen wir uns nicht widersetzen", spottete Myles Kantor, an seine Gefährten gewandt. „Wir machen uns am besten auf den Heimweg." Und zu Chukdar sagte er: „Dir wünschen ich viel Erfolg bei deiner Suche. Mögest du deine Engstirnigkeit nie bereuen."
Damit wandte er sich ab und glitt aus der Höhle hinaus. Konsella und Derivoor folgten ihm.
Myles wandte sich noch einmal um. Der Nakk hatte inzwischen seine frühere Haltung wieder eingenommen. Wie er da im grellen Licht der Lumineszenzlampen inmitten seiner Geräte schwebte, wirkte er wie ein fremdartiger Schamane, der im Begriff war, die Geister einer exotischen Hölle zu beschwören.
Keiner der drei sprach ein Wort, während sie an der Felswand emporschwebten, die scharfgratige Kuppe überquerten und auf Westkurs gingen. Sie hatten schon die Hälfte der Strecke bis zur DEAUVILLE zurückgelegt, da meldete sich Derivoor Ken zu Wort. „Wenn es noch ein Beweis für die Richtigkeit deiner Theorie bedurft hätte, dann haben wir ihn jetzt", meinte er. „Wie das?" fragte Myles. „Du hast das Netz der Quintangulationspunkte berechnet und als günstigsten Ort für unsere Messungen das Sansevier-System mit dem Planeten Yling definiert. Die Nakken sind ebenfalls auf der Suche nach dem Überwesen. Die Überlegungen, die Chukdar veranlaßt haben, nach Yling zu kommen, müssen dieselben gewesen sein, wie sie aus deiner Theorie hervorgehen."
„Hoffen wir, daß du recht hast", sagte Myles Kantor halblaut. „Was mich an der ganzen Sache wundert, ist, daß wir den Nakken um eine Nasenlänge voraus zu sein scheinen. Wenn meine Vermutung richtig ist, dann ist Chukdar erst vor kurzem hier angekommen. Er wird eine Zeitlang brauchen, bis er seine Beobachtungen angestellt hat. In der Zwischenzeit sind wir längst
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