155 - Briana - Tochter Irlands - Langan, Ruth
ausgesprochen dankbar. Sie hatte kein Bedürfnis zu sehen, was drei Jahre Kloster aus ihr gemacht hatten. Die einstmals kupferfarben leuchtende Lockenpracht war verschwunden. Regelmäßig wurde das Haar kurz geschoren. Brianas Hände und Fingernägel waren von der täglichen schweren Arbeit auf den Feldern und im Umgang mit den Tieren auf den Weiden rau und rissig geworden.
Auch ihr Körper hatte sich geradezu dramatisch verändert. Verschwunden waren die sanften, verlockenden Rundungen. Im Laufe der Jahre war sie größer und auffallend schlank geworden. Die ehemals üppigen Hüften waren nur noch bei genauerem Hinsehen auszumachen, und die kleinen festen Brüste konnte Briana mühelos unter der Kleidung einer einfachen Bäuerin verbergen.
Jetzt trat sie aus der Zelle heraus und zog vorsichtig die Tür hinter sich zu. Dann bewegte sie sich behände und geräuschlos durch den dunklen Korridor zu dem Refektorium, wo die Mutter Oberin bereits auf sie wartete.
„Die Burschen hier sind gekommen, um dich nach Hause zu holen“, erklärte sie, sobald Briana eingetreten war.
Diese warf einen verstohlenen Blick auf die jungen Männer, die an dem langen Esstisch saßen und das von den Nonnen hastig zubereitete Mahl aus kaltem Fleisch, Käse und knusprigem Brot zu sich nahmen. Enttäuscht registrierte Briana, dass sie keinen der Burschen kannte. Wahrscheinlich waren die Kameraden ihrer Kindheit längst verheiratet und hatten selber bereits Kinder.
„Warum werde ich nach Hause beordert?“, wollte sie wissen.
Die Oberin bedeutete ihr, sich hinzusetzen, woraufhin Schwester Ascension, die Köchin, eine mit Speisen gefüllte Schüssel vor Briana auf den Tisch stellte.
Während Briana gehorsam zu essen begann, erklärte die Mutter Oberin: „Dein Vater wurde vor einiger Zeit verwundet.“ Briana wollte aufgeregt eine Zwischenfrage stellen, doch die ältere Nonne erstickte diese Regung mit einer Handbewegung bereits im Keim. „Die Verletzungen sind nicht lebensbedrohlich. Aber deine Mutter wünscht, dass du ihr bei der Versorgung deines Vaters hilfreich zur Seite stehst. Sie befürchtet, dass sie alleine nicht zurechtkommt.“
Briana lächelte versonnen. „Ja, mein Vater ist im gesunden Zustand schon eine Herausforderung. Aber wenn er verletzt und auf dem Wege der Besserung ist, ist er wahrscheinlich unausstehlich.“
Dann kam ihr ein anderer Gedanke. Ihre Mutter hatte nach ihr geschickt. Bedeutete das, dass ihr Vater ihr noch immer nicht verziehen hatte? Briana verspürte den bekannten Schmerz wie einen Messerstich. Schnell verdrängte sie ihre Traurigkeit. Sowie Gavin sie sah, würde er erkennen, dass sie sich von Grund auf geändert hatte. Sie würde seine Liebe gewinnen. Sie musste es schaffen, denn dieses Bedürfnis war schon immer die treibende Kraft in ihrem Leben gewesen.
Briana verging plötzlich der Appetit. Da sie jedoch in den vergangenen Jahren bis zum Überdruss gehört hatte, es sei eine Sünde, Lebensmittel zu vergeuden, raffte sie die Reste ihres Mahls zusammen und verstaute sie in einer der Taschen ihres Gewandes.
Kurz darauf hatten die jungen Männer ihr Essen bis auf den letzten Krümel vertilgt und rüsteten zum Aufbruch. Briana und die Mutter Oberin folgten ihnen nach draußen in den Hof, wo bereits die Pferde fertig gesattelt zur Abreise bereitstanden.
Die Klostervorsteherin reichte Briana eine Reiserobe aus dunklem sackartigem Leinen. „Der mit Hermelin besetzte Mantel, den du bei deiner Ankunft damals trugst, wurde an die Armen gegeben, genauso wie der Beutel mit Goldtalern, den dein Vater schickte. Dieses Kleidungsstück ist nur ein bescheidener Ersatz, wird aber seinen Zweck erfüllen und dich während der langen Reise wärmen.“
„Ich mache mir nichts aus schönen Kleidern“, wehrte Briana ab.
„Ich weiß, mein Kind“, erwiderte die Oberin weich. Das Mädchen kannte weder Täuschung noch Arglist. Und obwohl Briana ein unbelehrbarer Wirbelwind gewesen war, hatte doch jede im Kloster sie innig ins Herz geschlossen.
Vom ersten Tag an hatte es für die Oberin keinen Zweifel daran gegeben, dass sie sich niemals in das karge Leben einer demütigen Nonne würde schicken können. Doch es war gleichermaßen offensichtlich, dass sie herzensgut und liebenswert war und mit ihrem impulsiven Benehmen und unwiderstehlichen Sinn für Humor die größte Herausforderung im Leben der Oberin dargestellt hatte.
Wie sich Briana wohl in der Welt draußen zurechtfinden mochte? Die meisten jungen Frauen
Weitere Kostenlose Bücher