155 - Briana - Tochter Irlands - Langan, Ruth
an Briana. „Wie ich hörte, habt Ihr den Angriff der Engländer auf unser Dorf überlebt?“
Als Briana nickte, fragte er weiter: „Und habt Ihr die Soldaten deutlich wahrnehmen können? Würdet Ihr sie wiedererkennen, wenn Ihr ihnen noch einmal begegnen würdet?“
Briana fiel auf, dass es in dem Raum sehr still geworden war. Alle warteten wie gebannt auf ihre Antwort und ließen sie nicht aus den Augen. Briana umklammerte ihr Glas so fest, dass ihre Finger schmerzten. Ihre Stimme klang sehr leise. „Ja, ich glaube schon. Zumindest ihren Anführer.“
„Gibt es irgendein besonderes Merkmal an ihm? Etwas, was ihn von den anderen unterscheidet?“
Sie spürte, dass Keane sie intensiv und eindringlich beobachtete. Nachdem sie ihm so viele überhebliche und selbstgerechte Vorträge über Mut und Feigheit gehalten hatte, war es jetzt an ihr, die eigene Feigheit zu offenbaren. „Manchmal sehe ich ihn … nachts. Es ist immer nur eine Vision, die mich aber in Angst und Schrecken versetzt. Wenn ich zitternd und angsterfüllt aufwache, ist sein Bild vor meinem inneren Auge wieder verschwunden.“
Die Männer ringsum verhielten sich mucksmäuschenstill. Sie spürten wohl, dass dieses ein ganz besonderer Augenblick war.
„Nur seine Stimme kann ich immer hören“, fuhr Briana stockend fort. „Er verdammt alle Iren zu einem qualvollen Tod. Und dann der Klang seines sadistischen Gelächters …“ Sie schüttelte sich. „Es ist die reinste Folter für mich.“ Briana zitterte so stark, dass sie nicht weitersprechen konnte.
In die beklemmende Stille hinein sagte Hugh: „Ihr braucht Euch Eurer Schwäche nicht zu schämen, Mylady. Wir alle verstehen sehr gut, was Ihr Furchtbares durchlitten habt. Und diese Albträume sind sehr verbreitet bei Kämpfern, die ihren eigenen Tod vor Augen gesehen haben.“ Er tätschelte ihr den Arm, wie ihre Brüder es wohl in diesem Moment getan hätten.
„Könnt Ihr Euch noch an andere Dinge erinnern?“, fragte ein Bauer sehr behutsam. „Vielleicht daran, wie dieser Engländer aussah? Eventuell habt Ihr sogar seinen Namen gehört?“
Briana dachte angestrengt nach, versuchte mit aller Macht, etwas aus ihrer wie hinter dichtem Nebel liegenden Erinnerung herauszulocken. So viele Teile, die scheinbar zusammenhanglos waren. Fetzen und Bruchstücke jagten durch ihr Gehirn, verschwanden im Nichts. „Ja, sein Name.“ Sie dachte wieder so konzentriert nach wie möglich. Dann der Geistesblitz: „Seine Männer nannten ihn … Halsey!“
Unter den Dorfbewohnern entstand eine unangenehme Unruhe. Sie schauten sich gegenseitig an, nickten. Ja, den Namen hatten sie in der Vergangenheit schon mehrfach gehört.
„Halsey hatte Spaß an dem Morden.“ Briana schloss einen Moment die Augen, als könne sie dadurch der grausamen Erinnerung entfliehen. Als sie sie wieder öffnete, starrte sie in ihr Glas. „Er lachte, während er meine Begleiter tötete. Es waren junge Burschen, die nur versucht hatten, mich zu verteidigen. Jungen, die so wenig Zeit zum Lachen und Lieben … und zum Leben hatten.“
„Wie konntet Ihr als Einzige das Massaker überleben?“
„Ich weiß es nicht.“ In Brianas Augen trat ein harter Ausdruck. „Ich war erfüllt von einer Art Raserei, die die Kontrolle über mich gewann. Ich nahm das Schwert an mich, das Halsey einem der Burschen mitten ins Herz gestoßen hatte. Und als der Mistkerl befürchten musste, dass er gegen mich verlieren könnte, befahl er seinen Männern, mich festzuhalten.“
Entsetzt stöhnten die Männer auf. Briana sah, wie Keane die Lippen in einem furchtbaren Fluch bewegte. Mit Macht kamen jetzt die Erinnerungen, drohten sie zu überfluten. Das Geschehen stand glasklar vor ihrem inneren Auge. „Und als Halsey mir schließlich sein Schwert in die Brust stieß, sagte er zu mir, dass dieses Land und alle, die darin lebten, sich vor einem englischen Schwert würden verantworten müssen.“ Für einen Moment schien ihr die Stimme versagen zu wollen, und Keane begann, in ihre Richtung zu gehen. Doch Briana erkannte seine Absicht und hielt ihn mit einer Handbewegung auf Abstand.
Es war wichtig für sie, alles auszusprechen, was sich in ihrem Geist und in ihrer Seele angesammelt und festgesetzt hatte in all den Tagen und Nächten seit den Geschehnissen dort draußen auf den Feldern.
„Ich kann mich jetzt auch an sein Gesicht erinnern.“ Sie schloss die Augen, und dahinter nahm das verhasste Gesicht Konturen an. Fast flüsternd beschrieb sie die
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