155 - Der Teufelsrocker
nicht wenigstens warten, bis sie eine Wohnung gefunden haben?« fragte die Anwältin.
»Das dauert womöglich noch ein Jahr. Eilig haben sie es ja nicht, sich eine andere Bleibe zu suchen. Das können sie mit mir nicht machen.«
»Diese Sache hat auch eine moralische Seite, Paul.«
»Die ist mir egal. Ich bestehe auf meinem juristischen Recht, das du als meine Anwältin zu vertreten hast! Wenn du dich dieser Aufgabe jedoch nicht gewachsen fühlst, kann ich sie auch einem anderen Anwalt übertragen.« Robinson war immer lauter geworden. Seine Stimme klang hart und gnadenlos.
So hatte ihn Ida noch nie erlebt. Das war nicht der Mann, den sie liebte. Was mochte ihn so sehr zum Nachteil verändert haben?
Ärgerlich erhob sie sich. »Okay«, sagte sie leidenschaftlich. »Suche dir einen anderen Anwalt. Ich bin sicher, du wirst jemanden finden, der diese armen Leute für dich auf die Straße setzt. Ich tue so etwas jedenfalls nicht. Du bist ja nicht bei Sinnen. Ruf mal an, wenn du wieder normal bist. Ich bereue, dich besucht zu haben. Ich dachte, du würdest dich freuen.«
Zornig stürmte sie aus dem Wohnzimmer. In der Halle stand Shelley, die den Streit mitgehört hatte. »Sag mir, was ist bloß mit deinem Vater los?« fragte die Anwältin mit Tränen in den Augen.
Shelley sah sie traurig an. Auch ihr war die Veränderung ihres Vaters nicht verborgen geblieben. »Du darfst ihm nicht böse sein, Ida.«
»Er ist so… so anders. Ich hatte den Eindruck, es würde nicht Paul Robinson aus ihm sprechen. Diese gnadenlose Härte kenne ich nicht bei ihm. Er war ein warmherziger, mitfühlender Mensch, der stets Verständnis für andere aufbrachte - und nun hat er sich um 180 Grad gedreht. Da stimmt doch irgend etwas nicht.«
»Er befindet sich in einem Tief«, sagte Shelley. »Laß ihm Zeit, er kommt bestimmt wieder hoch. Die Sache mit dem Haus würde ich nicht so ernst nehmen. Ich werde versuchen, mit ihm zu reden. Wenn ich den richtigen Zeitpunkt erwische, wird mir das auch bestimmt gelingen. Wir müssen jetzt ein bißchen Geduld mit ihm haben. Wirst du die aufbringen?«
Ida seufzte. »Vorhin hat er mich ganz schön erschreckt.«
»In ein paar Tagen ist er wieder der alte«, sagte Shelley.
»Zur Zeit wird er von den Sternen schlecht bestrahlt, was?«
»Kann sein«, sagte Shelley und dachte an den unheimlichen Kristall, der ihrer Ansicht nach schuld an der Wesensänderung ihres Vaters war.
Wenn er nicht bald wieder normal wurde, würde sie den Kristall heimlich entwenden und in die Themse werfen. Bei Gott, ja, das war nicht nur so ein Gedanke, sie würde es wirklich tun.
***
Das Knattern wurde lauter, das Motorrad fuhr schneller - und das Verrückte an der Sache war, daß niemand draufsaß. Die Maschine wurde ferngelenkt - von Rufus, dem Dämon mit den vielen Gesichtern. Wie ein Lebewesen griff mich das Motorrad an. Aufbrüllend stürzte es sich auf mich.
Ich sprang zur Seite, kam aber nicht schnell genug weg, der Griff traf mich, und ich spürte einen dumpfen Schmerz.
Die Maschine bäumte sich auf, drehte sich auf dem Hinterrad herum und sauste mir gleich wieder entgegen. Diesmal reagierte ich besser..
Als das Motorrad an mir vorbeischoß, versetzte ich ihm einen Tritt. Ich hoffte, es umstoßen zu können, doch die Maschine blieb auf den Rädern und schwang erneut herum.
Ich sprang hinter einem Baum, sie krachte dagegen, fuhr darum herum, trieb mich vor sich her.
Vielleicht bekam ich sie in meine Gewalt, wenn ich auf ihr saß. Wieder ließ ich sie ins Leere laufen und schwang mich dann blitzschnell auf den Sattel.
Sie reagierte nicht. Der Gashebel war blockiert, ich konnte nicht schalten, nicht lenken und auch nicht den Motor abstellen.
Und der Feuerstuhl war drauf und dran, mich umzubringen!
Er raste über die Straße und auf eine Backsteinmauer zu. Diesen Frontalaufprall würde ich nicht überleben. Ich wollte abspringen, doch irgend etwas hielt mich fest.
Und die Mauer kam immer näher.
Ich bot meinen ganzen Willen auf und stieß mich kraftvoll ab. Hart landete ich auf dem Asphalt, während das Motorrad weiterfuhr. Ich überschlug mich mehrmals und blieb auf dem Bauch liegen.
Atemlos stemmte ich mich hoch und sah, wie die Maschine mit Höchstgeschwindigkeit gegen die Mauer knallte und sich verformte. Der Treibstofftank platzte auf, und das auslaufende Benzin entzündete sich. Die folgende Explosion zerriß das Motorrad, und ich dankte dem Himmel, daß ich nicht bis zuletzt draufgesessen
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