155 - Der Teufelsrocker
Shelley schon mit dem Gedanken gespielt, sich an Boris Fabares zu wenden.
Zu Hause nahm sich Lindsay einen trockenen Sherry. Sie hatte eine schöne, große Wohnung. Eigentlich war sie zu groß für eine Person, aber als sie sie kaufte, wußte sie noch nicht, wie sich die Dinge für sie entwickeln würden.
Die Wände strahlten weiß, und Lindsay hatte große, dekorative Bilder aufgehängt. Die Küche war in den Wohnraum integriert. Es gab einen Tresen mit drei weißen Hockern, auf denen so gut wie nie jemand saß. Auch sie waren Zierat.
Lindsay begab sich ins Schlafzimmer und zog sich aus. Sie schlüpfte ins Nachthemd und zog den Schlafrock drüber, dann kehrte sie ins Wohnzimmer zurück.
Plötzlich setzte sich in ihr der Verdacht fest, es befände sich außer ihr noch jemand in der Wohnung.
Sie sah in allen Räumen nach.
Nichts.
Aber das unangenehme Gefühl blieb.
Lindsay griff nach ihrem Drink und leerte das Glas auf einen Zug. Hatte sie nicht gründlich genug nachgesehen?
Ein Geräusch erschreckte sie. Nervös drehte sie sich um und faßte sich dabei ans Herz. Woher war das Geräusch gekommen? Es hatte sich angehört, als wäre jemand durch das Schlafzimmer geeilt.
Lindsays banger Blick wanderte durch den Wohnraum und blieb am Telefon hängen. Sollte sie die Polizei anrufen? Die kommen erst, wenn etwas passiert ist, dachte sie gallig. Rufen Sie uns noch einmal an, wenn Sie niedergeschlagen und ausgeraubt wurden, Madam.
Auf einer weißen Schleiflackkommode lag ein Metallbrieföffner - sehr lang, sehr spitz, sehr scharf, fast so scharf wie ein Rasiermesser.
Lindsay nahm ihn an sich und näherte sich barfuß der halb geschlossenen Schlafzimmertür. Sie streckte die zitternde Hand aus und drückte die Tür vorsichtig auf.
Ihre Augen verengten sich. Die Frau im Spiegelschrank kam ihr fremd vor. Lindsay erkannte sich kaum wieder. Die französische Couch war rund und so breit, daß zwei Personen bequem darauf Platz hatten. Zwei Halogenstrahler und ein Radiowecker waren in den Kopfteil eingebaut.
Links stand ein Frisierspiegel mit Hocker, ein Stuhl daneben, und auf der anderen Seite reichte der Spiegelschrank bis an die Decke.
Es gab nur zwei Möglichkeiten, sich zu verstecken: entweder unter dem Bett oder im Schrank. Lindsay sank langsam auf die Knie und wagte einen Blick unter die Couch. Dort war niemand. Sie richtete sich auf und betrachtete gespannt den vier Meter breiten Schrank, der eine ganze Spiegelwand ergab.
Behutsam schob sie die erste Tür zur Seite. Bettwäsche, Handtücher, Badetücher…
Hinter der zweiten Schiebetür befanden sich Blusen und Pullover, dann kamen die Kleider, die Kostüme, die Mäntel - zuerst die Übergangsmäntel, dann die dicke Wintergarderobe.
Mit jedem Öffnen wuchs Lindsays Spannung, denn die Wahrscheinlichkeit, daß sie den Eindringling entdeckte, wurde immer größer. Als sie vor der letzten Tür stand, bebte sie innerlich, und Schweiß glänzte auf ihrer Stirn.
Sie betrachtete sich im getönten Spiegel, als sie den Brieföffner wie einen Dolch hob. Ihre Lippen waren so schmal wie zwei aufeinandergelegte Messerklingen, ihr Atem ging schnell, und ihr Herz trommelte laut gegen die Rippen.
Eine innere Stimme warnte sie davor, den Schrank zu öffnen, aber sie brauchte Gewißheit. Mit wachsendem Unbehagen griff sie nach der Chromleiste.
Es muß sein, sagte sie sich. Ich muß auch hier nachsehen. Erst dann habe ich Ruhe.
Mit einem entschlossenen Ruck schob sie die Tür zu Seite - und da war tatsächlich jemand!
Obwohl sie den Brieföffner gehoben hatte, stach sie nicht zu. Etwas zuckte ihr entgegen. Eine Hand. Nein, keine Hand. Eine Krabbenzange!
Sie spürte einen harten Schlag, torkelte zurück und stieß einen heiseren Schrei aus. Gleichzeitig fiel sie auf das Bett, und während des Fallens bemerkte sie, daß ihr Nachthemd zerfetzt war.
Aber nicht nur das!
Sie sah auch Blut…
Das Monster mit der Mumienfratze und den leuchtenden Kristallaugen sprang aus dem Schrank. Knurrend stürzte es sich auf die Frau, die der Schock lähmte.
Lindsay Wells schrie ihre wahnsinnige Angst und den Schmerz heraus, doch das Ungeheuer ließ nicht von ihr ab.
***
Ich fragte nach Inspektor William Stack, und man fragte mich nach meinem Namen. Ich zückte meine Lizenzkopie und sagte, wie ich hieß, danach durfte ich eintreten.
Die Wohnung gefiel mir. Sie gehörte einer Frau namens Lindsay Wells, und Inspektor Stack hatte mich angerufen, weil er meine Unterstützung brauchte.
Die
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