155 - Der Teufelsrocker
bist meine Tochter, das kann ich nicht leugnen.«
Der Stein war groß genug, daß sie sich neben ihren Vater setzen konnte.
»Ich wünschte mir immer einen Jungen«, sagte der Professor lächelnd. »Ich gebe zu, daß ich enttäuscht war, als mir deine Mutter ein Mädchen schenkte, doch heute bin ich sehr stolz, eine Tochter zu haben.«
Shelleys Mutter war zwei Jahre nach der Geburt ihrer Tochter mit perforiertem Blinddarm ins Krankenhaus gebracht worden. Man hatte sofort operiert, aber die Frau war aus der Narkose nicht mehr aufgewacht. Seither bestand die Familie nur noch aus Vater und Tochter. Paul Robinson hatte zwar Bekannte und Freundinnen, aber heiraten wollte er nicht mehr.
Die Zelte standen. Die Sherpas kochten Tee. Wieder richtete Paul Robinson seinen Blick nach oben. »Morgen, Shelley. Morgen ist ein großer Tag. Wir brechen ganz früh auf.«
***
Wir traten aus dem Kino, und ich hielt meiner Freundin die Tüte mit den Lakritzenbonbons hin. Vicky bediente sich.
»Wie hat dir der Film gefallen?« fragte ich und schob mir auch eines der schwarzen Bonbons in den Mund.
»Einen größeren Schwachsinn habe ich im Leben nicht gesehen«, tat meine blonde Freundin ihre ehrliche Meinung kund. »Daß sich ein Star wie John Taggerty für so etwas hergibt, kann ich nicht verstehen. Er kann das Drehbuch nicht gelesen haben.«
»Oder er machte den Film, weil er dringend Geld brauchte. Wie man hört, soll er ein leidenschaftlicher Spieler sein, der in allen Casinos dieser Welt zu Hause ist - Las Vegas, Macao, Monte Carlo… Unternehmen wir noch was?«
Vicky legte mir die Hand auf den Arm. »Nicht böse sein, Tony, aber ich habe morgen einen anstrengenden Tag. Ich möchte nach Hause.«
»Kein Problem«, erwiderte ich und ging mit ihr zu meinem schwarzen Rover. Wir stiegen ein, und ich fuhr los. Vicky legte ihren Kopf auf meine Schulter.
Am Hyde Park Corner bog ich in die Serpentine Road ein, denn das war der kürzeste Weg nach Paddington. Ich warf einen routinemäßigen Blick in den Spiegel und sah einen einsamen Scheinwerfer hinter uns hertanzen.
Motorrad, dachte ich.
Die Maschine kam näher. Der Fahrer trug smaragdgrüne Lederkleidung und einen roten Sturzhelm. Seine Hände steckten in großen Stulpenhandschuhen, die ebenfalls smaragdgrün glänzten.
Ich nahm an, daß mich der Motorradfahrer überholen würde und fuhr so weit links wie möglich, damit er Platz hatte, aber er blieb hinter uns, und plötzlich weiteten sich meine Augen, denn durch das Visier des Sturzhelms sah ich einen grinsenden Totenschädel!
***
Shelley schlief bereits, doch ihr Vater kam nicht zur Ruhe, obwohl er hundemüde war. Viele Dinge gingen ihm durch den Kopf. Er hatte die unterschiedlichsten Geschichten über den mysteriösen Kristall gelesen. Es war von unendlichem Glück, Reichtum und ewigem Leben ebenso die Rede wie von grauenvollen, unerklärlichen Dingen und ewiger Verdammnis, die der Kristall bewirkte.
Was war nun wahr? Beides?
Paul Robinson mußte sich selbst die Wahrheit holen. Die Menschen reden viel und lügen oft. Ein bekannter Schweizer Bergsteiger sollte vor ungefähr zehn Jahren hier gewesen sein. Angeblich hatte er den Verstand verloren, nachdem er den Kristall berührte. Allerdings machte sich das nicht sofort bemerkbar. Erst zu Hause in Zürich brach die Geisteskrankheit aus. Er tötete seine Freundin und warf sich im Hauptbahnhof vor den einfahrenden Zug.
Auch die Geschichte eines italienischen Fotografen fiel dem Professor ein. Der Mann hatte den weiten Weg zurückgelegt, um den Kristall zu fotografieren. Er sah seine Heimat nicht wieder. In Lhasa erschlugen ihn Räuber und verteilten seine Habe unter sich.
Ein Schwede kam durch eine Steinlawine ums Leben. Zwei Franzosen verunglückten mit ihrem Wagen tödlich -zwei Jahre nachdem sie hier gewesen waren.
Und für all das machte man den Wunderkristall verantwortlich. Nur vom Schlechten wurde hartnäckig berichtet. Das Gute, das der Kristall bewirkt hatte, wurde totgeschwiegen.
Mir wird er Glück bringen, sagte sich Professor Robinson. Ich weiß es. Ich fühle es. Was niemand vor mir geschafft hat, wird mir gelingen. Ich nehme den geheimnisvollen Kristall mit nach England.
Er würde seine Vorlesungen drastisch einschränken und sich ganz dem wertvollen Kristall widmen, um dessen lange gehütetes Geheimnis zu ergründen.
***
Eine grinsende Totenfratze!
Ich bremste scharf ab. Da ich Vicky nicht gewarnt hatte, wurde sie nach vorn gerissen. Klickend rastete
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