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155 - Kriminalfall Kaprun

155 - Kriminalfall Kaprun

Titel: 155 - Kriminalfall Kaprun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uhl Hannes
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Statements der jeweiligen Präsidenten und wird hellwach. Seit 1999 ist der österreichische Ministerialrat Horst Kühschelm Präsident der O.I.T.A.F.
    Kovac schaut auf die Uhr. 21:12 Uhr. Er greift zum Telefon und wählt die Nummer seines Informanten. »Entschuldige bitte den späten Anruf, störe ich?«
    »Moment, ich gehe ins Nebenzimmer.«
    »Horst Kühschelm ist Präsident der O.I.T.A.F.«
    »Ja, alle zehn Experten der sogenannten ›Internationalen Kommission‹ sind Mitglieder in der O.I.T.A.F., und die Hälfte der Angeklagten im Kaprun-Prozess sind auch O.I.T.A.F.-Mitglieder.«
    »Wie, die Chefs der Gletscherbahn sind auch in der O.I.T.A.F.?«
    »Hast du die Anklage zur Hand?«
    »Moment.«
    Kovac zieht einen Papierstapel zu sich, auf dem in großen Buchstaben »Kaprun« steht, und nimmt zielsicher die Anklageschrift heraus.
    »Ich hab die Liste vor mir.«
    »Dann sage ich dir einmal, wer von denen in der O.I.T.A.F. ist. Der technische Direktor, der Betriebsleiter und ein weiterer Mitarbeiter von den Gletscherbahnen Kaprun. Dann alle drei Angeklagten vom Verkehrsministerium und die zwei Mitarbeiter vom TÜV , die bei einer Überprüfung der Züge 1997 nichts zu beanstanden hatten. Das sind acht, also 50 Prozent der Angeklagten und darunter alle angeklagten Verantwortlichen der Gletscherbahn und des Ministeriums.«
    »Hm.«
    »Noch etwas. In den Unterlagen, die ich dir gegeben habe, findest du auch Belege dafür, dass das ›Gefahrenbild Brand‹ für Seilbahnen lange vor Kaprun bekannt war. Gute Nacht, Karli. Bleib anständig.«
    »Gute Nacht.«
    Kovac geht in die Küche und macht sich einen Kaffee. Es könnte eine lange Nacht werden. Dann sichtet er die Unterlagen und findet eine Mappe mit der Aufschrift »Gefahrenbild Brand«.
    Als Erstes sieht er ein Zitat aus dem Kommissionsbericht. »Die Expertenkommission hat festgestellt, dass das Unglück in Kaprun einin diesem Ausmaß neues, bisher nicht erkanntes Gefährdungsbild darstellt. Die Möglichkeit eines derartigen Ereignisses war daher auch an den bisherigen internationalen Tagungen der Seilbahnaufsichtsbehörden kein Thema.«
    Als Nächstes hält Kovac eine Kopie in der Hand, aus der hervorgeht, dass am 20. März 2000 das Europäische Parlament und der Rat die Richtlinie 2000/9/EG über »Seilbahnen für den Personenverkehr« beschlossen haben. Im Amtsblatt Nummer L 106 vom 3. Mai 2000 steht: »Es müssen Vorkehrungen getroffen werden, damit die Auswirkungen eines Brandes in der Anlage die Sicherheit der beförderten Personen und des Personals nicht beeinträchtigen.«
    Kovac stutzt und zählt die Monate von Mai bis November. Es sind sechs. Dann sagt er laut zu sich: »Also sechs Monate vor der Brandkatastrophe von Kaprun hat Österreich die EU-Richtlinie über Brände in Seilbahnen veröffentlicht. Spätestens da wusste jeder Beamte in den entsprechenden Behörden und jeder verantwortliche Mitarbeiter in allen österreichischen Seilbahnunternehmen, Prüfstellen und auch in der Gletscherbahnen Kaprun AG, dass es in Seilbahnen brennen kann.«
    Kovac nimmt das nächste Blatt, es ist eine Kopie der O.I.T.A.F.-News 1/1999, in denen der O.I.T.A.F.-Generalsekretär sagt: »Es wurde die lang diskutierte Seilbahnrichtlinie vom Ministerrat der EU unter der Präsidentschaft Österreichs im Dezember 1998 verabschiedet. Maßgeblich dazu beigetragen hat ein Mitglied des Direktionskomitees der O.I.T.A.F., und zwar Horst Kühschelm (…). Ihm und seiner Mannschaft ein herzliches Dankeschön.«
    Daran angeklammert ist eine Presseaussendung vom 3. Dezember 1999, in welcher der Geschäftsführer des Österreichischen Fachverbandes der Seilbahnen sagt: »Das Europäische Parlament hat dieser Tage eine von Österreich maßgeblich initiierte Seilbahnrichtlinie beschlossen. Damit gelten künftig in allen EU-Staaten einheitliche Standards. Als Maßstab für die Sicherheitsvorschriften dient das vorbildliche Sicherheitsniveau in Österreich.«
    Kovac klappt den Aktendeckel zu, er hat genug gelesen und lehnt sich in seinem Schreibtischstuhl zurück.
    Er fragt sich, wie er selbst gehandelt hätte, wäre er in Kühschelms Lage gewesen. Die Aufgabe des Mannes bestand zweifellos darin, Schaden von der Organisation abzuwehren, für die er verantwortlich zeichnete, egal, ob und wie viel Verantwortung für die Katastrophe von Kaprun sie trug. Experten zu finden, die nicht mit ihm in Verbindung gestanden wären, wäre Kühschelm in einer überschaubaren Branche wie dieser

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