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155 - Kriminalfall Kaprun

155 - Kriminalfall Kaprun

Titel: 155 - Kriminalfall Kaprun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uhl Hannes
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im Zug passiert.
    §13. Wer obige Vorschriften kritisiert, ist ein Laie, und Laien ist kein behördliches Gehör zu schenken.

    Die hier von mir wiedergegeben Vorschriften sind in allen Punkten streng eingehalten worden. Weder die Oberste Eisenbahnbehörde noch die Kapruner Gletscherbahn trifft daher irgendein Verschulden.
    Von allen Verantwortlichen wurde auch schon mitgeteilt, dass große Unglücke halt immer passieren können.
    Was soll gegen das explosive Gemisch aus Trauer und Wut unternommen werden?
    In die Satire flüchten.
    Ungeheuerlich ist die Mitschuld der Obersten Eisenbahnbehörde.

Kapitel 26
    Der Strafantrag »5 St 213/01i« geht im Jänner 2002 auch beim Landesgericht Salzburg ein und erhält dort das Aktenzeichen »37 Hv 60/02«. Nun bereitet sich das Gericht auf den Kaprun-Prozess vor und muss einen Richter für dieses Großverfahren bestimmen. Dies soll nach einem zufälligen Rotationsverfahren geschehen. Am 21. März 2002 gibt das Gericht bekannt, dass der Richter Manfred Seiss als Einzelrichter für den Kaprun-Prozess ausgewählt worden ist.
    Seiss wurde im August 1953 in der Stadt Salzburg geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften mit abschließender Promotion begann er im Mai 1976 seine Gerichtslaufbahn als Rechtspraktikant in der Strafabteilung des Salzburger Bezirksgerichts. Im Jänner 1977 wurde er Richteramtsanwärter und nach Ablegung der Richteramtsprüfung erfolgte am ersten November 1979 die Ernennung zum Richter. Manfred Seiss ist geschieden, der Ehe entstammen zwei Kinder. Über sich selbst sagt er: »Ich bin vor allem ein menschlicher Richter.«
    Als die österreichische Presseagentur APA meldet, dass ein Einzelrichter den Kaprun-Prozess leiten soll, wird diese Nachricht außerhalb der Alpenrepublik mit ungläubigem Erstaunen wahrgenommen. Vor allem in Ländern mit Kaprun-Opfern wie Deutschland, Japan, den USA, Slowenien, den Niederlanden, Tschechien und England ist die Bevölkerung verwundert, und es werden erhebliche Zweifel am österreichischen Justizsystem geäußert. Wie soll ein Einzelrichter frei und unbeeinflusst diesen Prozess durchstehen, bei dem die Erwartungen enorm sind? Während die Hinterbliebenen der 155 Toten eine glaubhafte Aufklärung der Katastrophe, einen Nachweis der Versäumnisse und Schuldsprüche fordern, hoffen die staatsnahen Unternehmen, die Ministerien und die Behörden auf die Unschuld ihrer Angeklagten und auf die Rehabilitation des Skitourismus. Wie soll ein einzelner Richter unabhängige Entscheidungen treffen können, wenn es um Ansprüchein Millionenhöhe geht? Welchem Druck wird ein Einzelrichter ausgesetzt sein, durch seine Vorgesetzten, durch die Politik und die betroffenen Unternehmen? Wie einsam wird er sein, wenn er sich bei diesem spektakulären Verfahren weder mit Richterkollegen noch mit Schöffen beraten kann? Doch die österreichische Strafprozessordnung sieht das genau so vor.
    Die Meldung der Austria Presse Agentur erreicht auch Gerichtsreporter Karl Kovac in Wien. Er ruft in Salzburg an, und nach mehreren Telefonaten weiß er mehr. Beim Mittagessen in der Kantine verkündet er: »Die Salzburger haben den Richter für Kaprun bestimmt. Auf den wird es jetzt von allen Seiten einprasseln. Der wird mächtig Druck verspüren.«
    »Möchtest du den Job machen?«, fragt eine Kollegin.
    »Um kein Geld der Welt«, antwortet Kovac.
    »Denkt doch mal an den Fremdenverkehr, wenn rauskäme, dass die Seilbahn in Kaprun schlampig gewartet wurde«, erklärt ein Kollege aus der Wirtschaftsredaktion, »kaum ein Tourist würde noch unbekümmert mit österreichischen Seilbahnen fahren. Ich glaube nicht, dass Österreich sich einen Schuldspruch erlauben kann.«
    »Seiss ist neben seinem Richteramt Unternehmer«, sagt Kovac. »Er ist im Nebenjob Fremdenführer in Salzburg. Außerdem sitzt er im Vorstand der Salzburger Fremdenführer und wurde 1986 von seiner Berufsgruppe nominiert, um Prüfungen für gewerbliche Fremdenführer abzunehmen.«
    »Na und?«
    »Ist er damit nicht befangen, wenn es um Wohl und Wehe des Tourismus geht?«, sagt Kovac. »Zumindest ist er nahe dran. Noch dazu ist er genau so wie der Aufsichtsratsvorsitzende der Gletscherbahnen Kaprun AG Mitglied im Lions Club Salzburg-Mirabell.«
    »In Österreich kennt jeder jeden. Das ist nun einmal so. Dagegen lässt sich kein Gesetz machen.«
    »Ich glaube, dass er in Deutschland oder der Schweiz damit als befangen gelten würde, aber bei uns finden es alle ganz normal.«

Kapitel

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