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155 - Reiseziel: Mars

155 - Reiseziel: Mars

Titel: 155 - Reiseziel: Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Tsuyoshi stand auf der Terrasse, als das holzverkleidete Schott sich öffnete. Sie trat durch die offene Terrassentür und blieb stehen.
    Chandra ging zu ihr. »Ich hoffe, Sie haben einen angenehmen Abend, Dame Cansu Alison«, sagte sie. Unter vier Augen duzte Chandra ihre Cousine und sprach sie mit Vornamen an. Die Begrüßung seitens der Präsidentin fiel denkbar knapp aus, Chandra hatte nichts anders erwartet.
    »Ich muss dich versetzen, Chandra.« Wie immer hielt die Ratspräsidentin sich nicht mit verschnörkelten Einleitungen auf. »Ich brauche dich vorübergehend an anderer Stelle.«
    Na also! Haben die Karten nun Recht oder nicht? Der Aufstieg in den Beraterstab, endlich! Wird auch Zeit…
    Die Ratspräsidentin taxierte sie kühl, ihre Miene blieb undurchdringlich. Ein einziger Gedanke machte Chandras Vorfreude zunichte – und wenn es nun doch zu den Baumschulen ging?
    Das Herz rutschte ihr in die Leistengegend.
    »Du bist Historikerin.« Die Präsidentin schritt zu ihrem Pult, nahm dahinter Platz und wies mit flüchtiger Handbewegung auf einen freien Sessel davor. Chandra setzte sich.
    »Spezialgebiet Erdgeschichte.« Cansu Alison Tsuyoshi sah auf einen Monitor, dessen Frontseite Chandras Blicke nicht erreichten. »Und du bist Sprachwissenschaftlerin. Das Projekt, an dem du gerade arbeitest, ist wichtig…« Aufmerksam las sie die Informationen auf ihrem Bildschirm. Ihr Personendossier, wie Chandra annahm.
    Cansu Alison Tsuyoshi war von schmaler, fast zerbrechlicher Gestalt. Selbst von unterdurchschnittlicher Körpergröße – zweihundertzwei Zentimeter – überragte sie Chandra doch noch um vierzehn Zentimeter. Cansu Alison galt als kühl, pragmatisch, machtorientiert und konservativ. Sie hatte es nicht aus Versehen zur Ratspräsidentin gebracht: Von Jugend an setzte sie alles auf die Karrierekarte – Hobbys, Freizeit, Liebe, Partnerschaft, Kinder. Sie lebte nur für ihre Arbeit.
    »… eine wichtige Untersuchung, ja, muss aber warten. Ich habe eine noch wichtigere Aufgabe für dich. Sie wird nur wenige Tage Zeit in Anspruch nehmen.« Cansu Alison hob den Kopf und richtete den Blick ihrer bernsteinfarbenen Augen auf die Ältere und dennoch Attraktivere. »Du weißt, dass die PHOBOS den dritten Tag im Orbit kreist?« Chandra nickte.
    »Morgen früh, kurz nach Sonnenaufgang, wird sie landen.«
    Die Ratspräsidentin drehte den Monitor zu Chandra um. »Sieh ihn dir an.«
    Chandra empfand wenig Sympathie für ihre Cousine. Vor allem deren herrische Art verabscheute sie. Und es ärgerte sie insgeheim, dass Cansu, obwohl fünf Marsjahre jünger als sie, so weit über ihr auf der Karriereleiter stand. Sie schüttelte den Ärger ab und konzentrierte sich auf den Monitor. Er zeigte das Bild eines ungewöhnlich kräftig gebauten Mannes mit kurzem blonden Haar. Er hatte keine Pigmentstreifen im Gesicht!
    »Ein Erdenmann«, sagte die Präsidentin. »Ein hässlicher Bursche, ich weiß, und vermutlich genauso ungehobelt in seinen Umgangsformen, wie er aussieht. Trotzdem wirst du ein paar Tage in seiner Nähe bleiben müssen.« Sie fixierte Chandra. »In seiner unmittelbaren Nähe, meine ich.«
    »Ich verstehe nicht ganz.« Chandra war enttäuscht. Kannte Cansu Alison denn ihre Qualitäten nicht? »Wer ist dieser Mann?«
    »Die PHOBOS hat ihn auf dem Erdmond aufgelesen.«
    Cansu lehnte sich zurück und legte die Arme auf die Sessellehne. Die Nägel ihre langen Finger waren metallicgrün gefärbt. »Wenn es nach mir gegangen wäre, würde er auch jetzt noch dort sein Leben fristen – oder auch nicht. Aber der Rat wollte ihn unbedingt persönlich verhören, also hat Maya Joy ihn hergebracht. Es ist noch nicht ganz klar, was danach mit ihm geschehen wird.« Ein freudloses Lächeln flog über das Gesicht der Präsidentin. »Das heißt, mir ist es schon klar, doch im Rat herrschen naturgemäß unterschiedliche Ansichten, besonders wenn es um solch lebenswichtige Angelegenheiten geht.« Sie schwieg und musterte ihr Gegenüber.
    Wenn Chandra das ausdruckslose Gesicht und die Wortwahl der Präsidentin richtig deutete, hatte der Erdmann keine schöne Zukunft zu erwarten, vielleicht überhaupt keine, falls Cansu Alison sich im Rat durchsetzen sollte. Doch was ging sie das an? »Und ich soll den Erdmann bis zum Verhör durch den Rat bewachen, Dame Ratspräsidentin?«, fragte sie zweifelnd.
    »Betreuen und begleiten. Bewachen wird ihn ein Sonderkommando. Es wird sich immer in Sichtweite zu euch aufhalten. Betreuen und begleiten

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