1550 - Die neue Bestimmung
hatte, sich zusammenzusetzen und die Lage zu beraten, dann war dieser Zeitpunkt jetzt gekommen. Ein noch zwingenderer Anlaß war schlichtweg nicht vorstellbar.
Es gab so vieles, worüber sie sprechen mußten - unbedingt, so schnell wie möglich!
Natürlich hatte es keinen Sinn, jetzt noch umzukehren und dorthin zurückzufliegen, woher sie gerade erst gekommen waren: an jenen ansonsten völlig unbedeutenden Punkt im All, an dem die Kunstwelt Wanderer für kurze Zeit aufgetaucht und wieder verschwunden war.
Ich werde Kleva Rimmon den Befehl geben, nach Lingora zu fliegen, sagte sie sich in Gedanken. Die anderen werden sicher auch auf diese Idee kommen. Wir werden uns auf Lingora treffen. Und dann werden wir reden.
Aber gleichzeitig hörte sie in ihrer Erinnerung diese seltsame, unsagbar fremde Stimme, und diese Stimme gab einen Befehl - anders konnte man das wohl kaum nennen. „Sie haben also alle die Absicht, seinen Anweisungen zu folgen", stellte Dorina Vaccer beunruhigt fest. „Einen solchen Gehorsam gegenüber einem Auftraggeber hätte ich eigentlich keinem von ihnen zugetraut - mir selbst am allerwenigsten. Aber wir haben ja auch nie zuvor einen so seltsamen Auftrag erhalten."
Kleva Rimmon schwieg. Er wußte nicht, was er mit dieser Bemerkung anfangen sollte. „Ich sollte einen anderen Kurs wählen", fügte sie hinzu. „Aber ich fürchte, daß ich immer wieder eine Ausrede finden werde, es eben doch nicht zu tun."
Vielleicht, dachte sie gleichzeitig, hat es auch seine Vorteile. Auf Taumond habe ich schon oft meinen Frieden gefunden.
Obwohl sie wußte, daß sie damit ihre eigenen, eben geäußerten Befürchtungen bestätigte, konnte sie nichts daran ändern. „Wie lange wird es noch dauern, bis wir unser Ziel erreichen?" fragte Dorina Vaccer. „Das kommt darauf an, wie sehr wir uns beeilen", erwiderte Kleva Rimmon. „Gut, dann lassen wir uns Zeit. Das ist alles."
Kleva Rimmon schien damit nicht ganz einverstanden zu sein, aber er fügte sich, wie er es immer tat. Er war an den Umgang mit Friedensstiftern gewöhnt und wußte, daß sie mitunter seltsamen Einfallen nachgaben.
Und die anderen Linguiden?
Sie verehrten die Friedensstifter, sahen in ihnen die höchsten Repräsentanten ihres Volkes und stellten die von ihnen gegebenen Anweisungen nur selten in Frage.
Auch das war jetzt plötzlich ein Grund zur Besorgnis.
Dorina Vaccer rief ihren Schüler Amdan Cutrer zu sich. Er eilte so schnell herbei, als hätte er bereits draußen vor der Tür gewartet. „Ich möchte, daß du Verbindung mit Hajmayur aufnimmst", sagte sie zu ihm. „Man soll ein Quartier für mich herrichten. Ich werde einige Tage dortbleiben und auch der Farm einen Besuch abstatten."
Das würde ihr für einige Tage den Rücken freihalten. „Sollen wir dich begleiten?"
Dorina Vaccer sah ihn nachdenklich an. „Nein", sagte sie schließlich. „Du und die anderen Schüler - ihr werdet in der SINIDO bleiben und euch bereit halten. Es könnte sein, daß ich Taumond sehr schnell wieder verlassen muß."
Amdan Cutrer nahm es zur Kenntnis, zögerte aber, Dorina Vaccers Anweisungen zu befolgen. „Worauf wartest du noch?" fragte sie ihn. „Gib uns wenigstens die Erlaubnis, in der Stadt Gurmayon berichten zu dürfen, was sich zugetragen hat", bat der junge Linguide.
Dorina Vaccer lachte. „Du bist neugierig", stellte sie fest. „Damit ihr etwas zu berichten habt, müßte ich euch erst einmal erzählen, was sich ereignet hat."
„Ich wollte dich nicht drängen!" versicherte Amdan Cutrer hastig.
Diese Bemerkung war überflüssig. Dorina Vaccer ließ sich von niemandem drängen. Schon gar nicht von einem ihrer Schüler. „Geh und erledige, was ich dir aufgetragen habe!" befahl sie.
Eine leichte Schärfe lag in ihrer Stimme. Amdan Cutrer hatte es plötzlich sehr eilig, ihr aus den Augen zu kommen.
Als er die Kabine verließ, sah Dorina Vaccer draußen auf dem Gang die anderen Schüler stehen. Zehn waren es zur Zeit. Sie hatten sich vollzählig versammelt. „Habt ihr nichts Besseres zu tun, als da draußen herumzulungern?" rief sie ihnen zu.
Sie liefen eilig auseinander.
Die Friedensstifterin lehnte sich zurück und schloß die Augen.
Sofort war dieses Bild wieder da: Eine riesige Halle inmitten der unheimlichsten Stadt, die je ein Linguide gesehen hatte, und in dieser Halle eine Energiespirale, die alles andere war als das, was sie zu sein schien.
Und eine Stimme.
Diese Stimme sagte seltsame Dinge. „Man nennt mich ES", sagte
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