1552 - Tolots Terror
auf. „Ja, Nan. Ich werde es tun. Ich verspreche, mich um deinen Sohn zu kümmern. Von dem Tag an, da Pero nicht mehr dazu imstande ist."
Sie hörte ein Geräusch von hinten.
In der Tür stand Nans Mann, er hatte alles gehört. „Unser Sohn ist satt", meinte er. „Der Kleine schläft jetzt." Behutsam legte er das Bündel neben Nan ins Bett. Mit einer Hand berührte er Prinas Schulter - eine Geste voller Dankbarkeit, aber auch voller Resignation.
Nan hustete qualvoll. „Hört zu, Prina und Pero. Ich möchte, daß mein Sohn den Familiennamen meiner Mutter trägt. Auch sie war alt, als sie mich geboren hat, und auch sie ist sehr bald gestorben. Der Name lautet Singhai."
„Und welchen Rufnamen habt ihr ausgesucht?"
„Er soll Baron heißen", sagte Pero. „Baron Singhai, nach meinem Großvater, der einmal Schüler eines Friedensstifters gewesen ist."
„Ein guter Name."
Prina beugte sich hinunter und strich sanft über das Gesicht des Neugeborenen. Es war noch nicht einmal gewaschen. Der Flaum fühlte sich weich und naß an.
Von der Seite hörte sie flache Atemzüge. Nan war eingeschlafen - und Prina war sicher, daß sie nicht mehr aufwachen würde. „Du bleibst hier, Pero?"
„Natürlich." Die Augen des Mannes starrten blicklos auf das Bett. „Ich werde nie wieder mit ihr sprechen. Aber ich werde bei ihr bleiben, bis es zu Ende ist."
„Gut. Ich habe Nan ein Versprechen gegeben. Deshalb breche ich jetzt auf."
Prina riß sich los und ging zur Tür. Als sie das Haus fast verlassen hatte, hörte sie noch einmal Pero Vonantos Stimme: „Suche einen guten Platz aus, Prina. Nicht im Park der Lebenssträucher, sondern draußen auf einer Hügelkuppe!"
Sie gab keine Antwort mehr.
Von links näherte sich gerade ein Ciffton mit zwei Linguiden. Der eine war Vela Konti, der andere mit dem gebeugten Rücken Honh der Schlichter. Die grüne und braune Färbung seines Gesichts ließ den Schädel mit dem Hintergrund verschmelzen. Abrupt drehte sie sich um und ging in die andere Richtung. Vela und Honn wußten auch so, was sie zu tun hatten.
*
Nachdenklich ging sie zu Fuß durch die Mondstadt. Viele Linguiden begegneten ihr, und zumindest die ständigen Bewohner grüßten freundlich. Sie war eine Frau, die so schnell nicht übersehen wurde.
Immer wieder sah sie das typische, milde Lächeln. Herablassung jedoch war nie dabei. Sogar ein paar der Erholungsuchenden von Lingora merkten auf; die meisten von ihnen hatte sie persönlich begrüßt.
Sagno Ciff bestand aus einer Fülle von ineinander verschachtelten Kuppeln. Doppelte, normalenergetische Schutzschirme hielten die Atmosphäre. Außerdem gab es so keine Gefahr von Meteoriteneinschlag, denn die Gebäude der Stadt waren fragil gebaut. Die meisten bestanden nur aus dünnen Kunststoffwänden, die man sogar mit einer Faust durchschlagen konnte.
Höher als zwei Stockwerke ragte kein einziges Haus auf. Und fast jedes trug ein halbtransparentes Dach, durch das auch in Mondnächten das Licht der Sterne schien. Die Linguiden von Sagno Ciff fühlten sich der Natur ihrer Umgebung nahe. Überall lagen große Brokken von Gestein herum, viele Straßen waren nur relativ grob in den Untergrund gehauen.
Allerdings war Sagno Ciff weit davon entfernt, wie eine provisorische Siedlung zu wirken.
Das lag an einem ausgeklügelten System aus Pflanzenschalen. In der Regel zog sich von Haus zu Haus ein regelrechter Irrgarten aus Blumentöpfen und Kübeln voller Kräuter. So war eine Art Synthese entstanden - ein Teil Sagno Ciff, ein Teil Lingora.
Prina Mauenhaudi näherte sich dem Rand der Stadt. Ein metallenes Tor unterbrach das Gefüge des Schutzschirms, und vor den Türen hingen mehrere Dutzend Raumanzüge bereit. Dazu die Transportmittel: Mit aufgeklappten Hauben standen hintereinander vier Ciffton-Pfeile. Dabei handelte es sich um eine Abart des gängigen Plattformtyps. Ciffton-Pfeile waren sehr viel gedrungener, mit nur kleiner, langgestreckter Liegefläche. Ein primitiver Lenker bildete den Bug, daran befanden sich die wenigen Kontrollen.
Zunächst legte sie einen Schutzanzug an, dann bestieg sie mit geschlossener Haube den Pfeil und passierte die Schleuse. Die Schwerkraft wechselte von Lingora-Norm auf etwa ein Sechstel.
Das Grav-Aggregat trug sie rasch hinauf zur höchsten Stelle der Umgebung. Von dort aus überblickte sie ganz Sagno Ciff. Zehn Quadratkilometer Stadt lagen unter ihr. Es war kein prächtiger Anblick - doch nichtsdestotrotz ein Anblick, auf den sie
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