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156 - Auf dem roten Planeten

156 - Auf dem roten Planeten

Titel: 156 - Auf dem roten Planeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Chandra Tsuyoshi und drei Waldmänner.
    Meter für Meter arbeiteten sie sich durch das Dickicht. Ein dichter Wald mit geschlossenem Laubdach. Erstaunlich, was das Terraforming in fünfhundert Jahren hervorgebracht hatte.
    Im Zwielicht, das tagsüber herrschte, warfen weder Bäume noch Menschen einen Schatten, und nachts konnte der Mann von der Erde nicht einmal die Hand vor Augen erkennen.
    Sie hatten ein Ziel, das war klar, doch Matt Drax war außerstande, sich eine klare Vorstellung von diesem Ziel zu machen.
    Das lag weniger an seiner Orientierungslosigkeit, als vielmehr an dem eigenartigen Dialekt, den sie benutzten, wenn sie miteinander sprachen. Wenn er sich konzentrierte, verstand er manchmal halbe Sätze, meistens aber nur einzelne Worte. Es ging um einen abgelegenen, sicheren Ort, um vorläufige Zuflucht abseits der Siedlungen dieser Waldmenschen, und es ging um eine Art Einsiedler. Viel mehr hatte Drax nicht heraushören können.
    »Still«, kam es von hinten. Der Junge vor Matt blieb stehen; und alle anderen auch. Über die Schulter sah Drax zurück: Hinter dem zweiten Jungen und Chandra verharrte der Anführer wie ein im Stehen Eingeschlafener. Die Schiffslampe ins Unterholz gerichtet, hielt er den Kopf schräg auf die Schulter geneigt und lauschte mit geschlossenen Augen.
    Da, ein Zirpen! Es drang von rechts oben aus dem dichten Laub. Und wieder! Ein Vogel? Ein Insekt? Matt Drax war sich nicht sicher. »Er ist da«, sagte der Anführer der Waldleute.
    Jedes Mal, wenn er ihn beobachtete, musste Matt an einen indianischen Schamanen denken. Sie nannten ihn Baumsprecher, und sprachen ihn mit einem für Drax' Ohren altertümlich klingenden englischen Wort an, das so viel wie
    »Windtänzer« bedeutete.
    Windtänzer – was für ein Name…
    Der so genannte Baumsprecher bedeutete dem Jungen, den Weg fortzusetzen. Matt Drax schaute zu Chandra hinüber. Sie humpelte immer noch leicht. Beim Handgemenge an der Zeppelinstation hatte sie ein Wachmann mit einer kleinen röhrenförmigen Waffe erwischt; eine Art Paralysator. Seit zwei Tagen konnte sie ihre Glieder wieder bewegen, seit einem Tag wieder laufen. Bis vor etwa dreißig Stunden musste sie auf einem kleinen Wagen gezogen werden. Warum seine Befreier – oder besser: seine Entführer – die Historikerin aus Elysium überhaupt mit auf die Flucht genommen hatten, dämmerte Matt erst nach und nach: um Maya Joy Tsuyoshi zu schützen.
    Weiter ging es. Der Junge bückte sich unter einem schweren Ast mit rostfarbenem Laub hindurch und teilte einen dichten Busch. Schrundige schwarzbraune Rinde kam zum Vorschein.
    Aus ihr ragten Keile wie Stufen. Ihr Ziel, wie es schien, denn der Junge blieb stehen.
    Matt Drax blickte nach oben: Zwanzig oder dreißig Meter über ihm verschwand der sicher drei Meter durchmessende Stamm in der rostroten Laubkrone. Spiralartig um ihn herum zogen sich Stufenkeile, und über den Stufenkeilen im Stamm befestigte Holme. Der Junge griff nach dem untersten Holm, nahm die erste Stufe und winkte den Mann von der Erde und die anderen hinter sich her.
    Matt musste sich strecken, um die Griffholme zu erreichen.
    Offenbar hatte man die Baumwendeltreppe nur für erwachsene Durchschnittswaldleute gebaut, die ihn um mindestens zwanzig Zentimeter überragten. War der Baum denn für die Kinder und die halbwüchsigen Waldleute tabu?
    Nach wenigen Stufen klopfte Matt das Herz in Kehle und Schläfen, sein Atem flog. Mit der Rechten hielt er sich an einem Holm fest, mit der Linken öffnete er die Beintasche, in der sich seine Sauerstoffmaske befand. Ein rotes Licht blinkte an deren Vorderseite – die Sauerstoffkapsel war leer. Drax löste die Patrone und steckte eine der vier noch vollen auf.
    Zwei hatte er schon verbraucht.
    Nachdem er sich die Maske mühsam mit nur einer Hand über das Gesicht gezogen und ein paar Mal tief durchgeatmet hatte, beruhigte sich sein Puls. Während er die Beintasche schloss, registrierte er flüchtig die anderen Anzeigen auf der Deckelinnenseite: Kompass, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Außentemperatur. Einen Moment wunderte er sich, denn es herrschten nur neun Grad Celsius, und trotzdem war ihm angenehm warm. Der äußerlich so unscheinbare Anzug, den ihm Maya verschafft hatte, funktionierte störungsfrei. Sogar während der Nächte, als die Temperatur deutlich unter den Gefrierpunkt gefallen war, hatte er ihn warm gehalten.
    Er fasste nach dem nächsten Holm, setzte seinen Stiefel auf die nächste Stufe und kletterte weiter.

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