1560 - Ahnenfluch
jemand anderer erzählt, dann hätte ich nur den Kopf geschüttelt. Bei Ihnen macht mich das nachdenklich.« Er schabte über sein Haar hinweg und gab sich etwas verlegen. »Von Ihnen, hört man ja andere Dinge.«
Ich winkte ab.
»Nun ja, Sie beschäftigen sich mit Dingen, die etwas außerhalb der Normalität sind«, murmelte er.
»Sie haben sich über mich erkundigt?«
»Sonst wäre ich in meinem Job nicht tragbar.« Er lächelte schmal. »Sie befürchten also, dass mit dieser Ladung etwas nicht stimmt. Sehe ich das richtig?«
»Ja.«
»Was denn?«
»Ich weiß es nicht genau. Allerdings ist mein Verdacht so schwerwiegend, dass ich es überprüfen möchte. Der Sarg muss vor einem Weitertransport geöffnet werden.«
»Okay, das kann ich veranlassen.«
»Ach ja, und noch etwas. In dem Flieger sitzt mein Kollege mit seiner Partnerin. Ich möchte, dass die beiden bei der Öffnung anwesend sind.«
»Das lässt sich auch regeln.« Russell stand auf. Er stieß scharf die Luft aus.
»Himmel, das hört sich spannend an. Dass sich der Fall so entwickeln würde, hätte ich nicht gedacht.« Er warf mir einen schiefen Blick zu. »Aber wir brauchen nicht mit einer großen Mannschaft anzurücken, wie es bei anderen Fällen schon passiert ist?«
»Nein, keine Sorge. Hier handelt es sich nicht um eine terroristische Bedrohung.«
»Das wäre noch schöner.«
»Ich brauche nur einen Raum, in dem wir den Sarg öffnen können, um den Inhalt zu überprüfen. Das ist alles.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann, Mr. Sinclair.«
»Schon jetzt vielen Dank…«
***
Der Flieger hatte an Höhe verloren und sank immer tiefer.
Wenn Shao aus dem Fenster schaute und die dunstige Wolkendecke aufriss, sah sie bereits die Millionenstadt an der Themse unter sich liegen, und auch der Fluss war wie ein gewundener Faden zu erkennen, der die Stadt durchschnitt.
Je näher sie dem Ziel kamen, umso mehr breitete sich die Erleichterung in ihrem Innern aus. Auch deshalb, weil sich Suko trotz seiner schlimmen Veränderung nicht anders benommen hatte als sonst. Er hatte nicht geschrieen, er hatte nicht um sich geschlagen. Er saß einfach still und etwas starr in seinem Sitz, wobei sein Kopf leicht nach vorn gesackt war.
Natürlich machte sich Shao Sorgen. Dass es für die andere Seite so leicht gewesen war, Suko zu beeinflussen, hätte sie nicht gedacht. Er war immer sehr stark gewesen, doch dieses Andere, was in ihm steckte, hatte ihn in einen lethargischen Menschen verwandelt, der keinerlei Anstalten machte, aus diesem Zustand zu erwachen, was Shao auf der einen Seite entgegenkam.
Wenn dieser Zustand aufgehoben wurde und sich die andere Kraft in Suko meldete, dann konnte es unter Umständen zu einer Katastrophe kommen, denn Suko trug seine Waffe bei sich.
Shao hatte schon darüber nachgedacht, sie ihm abzunehmen, aber das hatte sie sich noch nicht getraut.
Anschnallpflicht war angeordnet worden. Die meisten Gespräche zwischen den Passagieren waren verstummt. Die Menschen bereiteten sich auf die Landung vor.
Ab und zu nur war eine helle Kinderstimme zu hören.
Und Shao sah eine Flugbegleiterin, die mit schnellen Schritten den Gang hinter sich brachte.
Ihr Kommen galt Shao und Suko. Neben den beiden Sitzen hielt sie an und beugte sich vor. Ihr Lächeln wirkte leicht verkrampft. Noch bevor sie etwas sagen konnte, sprach Shao sie an. »Sie wollen zu uns?«
»Ja.«
»Und worum handelt es sich?«
»Es wurde für Sie angerufen. Ein Mr. Russell und ein Mr. Sinclair erwarten Sie nach der Landung auf dem Rollfeld. Sie können sich von den übrigen Passagieren absondern.«
»Danke.«
»Keine Ursache.«
Die junge Frau zog sich zurück, um vor der Pilotenkabine ihren Platz während des Landevorgangs einzunehmen.
Shao hatte alles verstanden. Ob das auch bei Suko der Fall gewesen war, wusste sie nicht. Er hatte zumindest keine Reaktion gezeigt und sah auch jetzt noch aus wie ein müder Mann.
Shao war nur froh, dass John Sinclair sie abholen würde. Sie hatte ihm einiges zu erzählen, und sie hoffte, dass er in der Lage war, etwas gegen Sukos Zustand zu tun.
Shao stieß ihn an, weil sie es noch mal versuchen wollte.
Es blieb nicht bei der Berührung, denn sie sprach ihn mit leiser Stimme an.
»Hast du gehört? John wird uns auf dem Rollfeld erwarten. Dann werden sich die Dinge bestimmt anders entwickeln.«
Der Inspektor gab keine Antwort. Er deutete nicht mal durch ein Nicken an, dass er verstanden hatte. Er blieb steif sitzen, als
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