1560 - Ahnenfluch
und er wurde auf einen Karren geladen, der von einem Elektromotor angetrieben wurde.
Wir alle sahen den Sarg. Wir blieben auch stumm - bis auf Suko, aus dessen Mund sich ein tiefes Stöhnen löste. Den Grund kannten wir nicht, aber wir schauten ihn besorgt an.
Kirk Russell, der das Aufladen überwacht hatte, kam zu uns. Erst jetzt stellte er sich vor. Seine beiden Mitarbeiter blieben in der Nähe des Sargs, der verplombt worden war.
Russell stellte sich vor, reichte Shao zuerst die Hand und wollte auch mit Suko kurz reden, was nicht möglich war. Mein Freund drehte einfach den Kopf zur Seite, denn nur so konnte er den Abtransport des Sargs verfolgen. Der Sicherheitschef lächelte schief. »Der Ort, an den wir den Sarg schaffen, liegt nicht weit von hier entfernt. Wir können ihn bequem zu Fuß erreichen.«
»Gut.« Ich sorgte dafür, dass Shao an meiner Seite blieb, weil ich mit ihr reden wollte. Inzwischen wusste ich mehr als sie, davon ging ich aus, denn ich hatte nicht vergessen, was ich den beiden Chinesen aus der Nase gezogen hatte.
Shao hörte zu, ohne etwas zu kommentieren. Ich sah nur, dass sie hin und wieder ein Schauer überlief und dann flüsterte: »Wir müssen also damit rechnen, dass dieser Hai King nicht tot ist?«
»Das weiß ich nicht, Shao. Jedenfalls ist er nicht normal mit seinem Ahnenfluch, und er muss noch die Macht haben, aus seinem Zustand andere Menschen zu beeinflussen.«
»Ja, wie bei Suko.«
Ich hob nur die Schultern und wechselte auf die andere Seite, sodass Suko jetzt zwischen Shao und mir ging. Er verhielt sich völlig friedlich. Es gab kein Anzeichen für eine Aggressivität. Er schritt neben uns her, als wäre dies das Normalste von der Welt. Seinen Kopf hielt er dabei weiterhin gesenkt, wie jemand, der achtgeben wollte, dass er nicht über seine eigenen Füße stolperte.
Ich konnte mich nicht erinnern, Suko jemals in einem derartigen Zustand erlebt zu haben. Die Magie, die ihn getroffen hatte, musste ungeheuer stark gewesen sein.
Sicherlich stammte diese Kraft aus einer uralten Zeit und hatte sich bis heute erhalten oder war wieder erweckt worden.
Der Wagen mit dem Sarg rollte recht langsam vor uns her. So verloren wir ihn nie aus den Augen. Er fuhr auf ein offen stehendes Tor zu und verschwand dann in einer Halle.
Die beiden Sicherheitsleute luden ihn ab. Dann ließen sie den Wagen wieder fahren und bauten sich selbst am Tor auf, um uns zu erwarten.
Kirk Russell war vorausgegangen und blieb nun stehen. Er sprach die Männer an.
»Irgendwelche besonderen Vorkommnisse?«
»Nein.«
Russell drehte sich zu uns um.
»Sie haben es gehört. Wir können uns daranmachen, den Sarg zu öffnen.«
Beruhigt war ich nicht. Wir schlichen förmlich in die Halle hinein, in der sich Waren in Regalen stapelten. Sie waren wohl noch nicht abgeholt worden. Was mit ihnen geschehen sollte, interessierte mich nicht. Für mich zählte nur der helle Sarg, der auf dem Betonboden stand.
Ich warf Suko einen Blick zu, der ihn nicht erwiderte. Shao stand dicht neben ihm.
Auch sie sah, dass Suko starr auf seine Füße schaute.
Kirk Russell holte eine kleine Kneifzange aus der Tasche. »Kann ich die Plombe lösen?«
Die Frage war an mich gerichtet.
Ich sah, dass die Tür inzwischen geschlossen war. Kaltes Neonlicht erhellte die Halle. Es herrschte plötzlich das große Schweigen, und es war zu spüren, dass die Spannung bei allen Anwesenden stieg.
Russell ging auf den Sarg zu. Mit der Kneifzange löste er die Plombe und drehte sich dann in unsere Richtung, wobei er mir zunickte.
»Es ist am besten, wenn wir die Schlösser gemeinsam öffnen, Mr. Sinclair.«
»Natürlich.«
Ich war äußerlich sehr ruhig, als ich zu ihm ging. In meinem Innern allerdings brodelte es schon, und ich merkte auch, dass etwas Kaltes über meinem Rücken rann. Es blieb auch, als ich mich dem Sarg näherte.
Es gab vier Schlösser. Zwei an jeder Seite. Sie mussten nicht aufgeschlossen, sondern nur aufgehebelt werden.
Über den Deckel hinweg schauten Russell und ich uns an.
»Fertig?«, fragte er.
»Ja.«
Wir klappten die Schlösser auf. Jetzt war der Deckel an der Reihe. Bevor ich ihn anfasste, warf ich einen Blick zu Shao und Suko hinüber. Der Chinesin war die Anspannung anzumerken. Suko weniger oder gar nicht. Er stand nach wie vor in einer Haltung da, als ginge ihn das alles nichts an.
Die beiden Wachtposten hatten sich vor das Tor gestellt. Sie waren bewaffnet. Die Pistolen steckten in Holstern an ihren
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