1563 - Blut-Geschwister
Not schon.«
»Dann bin ich ja zufrieden.«
Es war zwar noch nicht ganz dunkel geworden, doch es brannten schon die Außenleuchten. Ich fand den goldenen Schein irgendwie kitschig, aber es war nicht meine Sache, dies zu kritisieren.
Von Harry wollte ich wissen, ob der Chef hier im Hause ebenfalls ein Zimmer hatte, in dem er ab und zu übernachtete.
»Das kann ich nicht sagen. Ist aber vorstellbar. Wir werden es bald erfahren.«
Es hatte sich zwar abgekühlt, aber es war nicht so kühl geworden, dass man sich nur in den vier Wänden aufhalten musste. So bemerkte ich, dass viele Bewohner auf ihren Balkonen saßen, einen Schluck Wein tranken und den sich allmählich zurückziehenden Tag ausklingen ließen.
Auch hinter den Fenstern des Restaurants brannte Licht. Es saßen noch keine Gäste an den Tischen, was sich bald ändern würde.
Als wird durch die Glastür schritten, lief uns Walter Quirin mit eiligen Schritten entgegen.
»Da sind Sie ja wieder.«
»War doch klar«, sagte Harry.
Quirin schaute uns von oben bis unten an. »Na, eine Vergnügungsfahrt ist das wohl nicht gewesen. Ihre Kleidung sieht ziemlich ramponiert aus.«
»Wir sind ausgerutscht. Der Hang zum Haus hinauf war noch ziemlich feucht.«
Harry lächelte humorlos.
»Dann sind Sie im Haus gewesen?«, flüsterte Quirin.
»Waren wir!«
»Und?«
Harry hob die Schultern. »Nichts gefunden, Walter. Und das ist auch ein Erfolg.«
Quirin schaute recht skeptisch und meinte wie nebenbei: »Dann muss man hier in der Residenz ja keine Angst haben.«
Harry Stahl ging nicht näher auf das Thema ein. Er wollte wissen, ob der Chef noch im Hause war.
»Weggehen sehen habe ich ihn nicht. Ich saß auf dem Balkon. Von dort habe ich Sie auch kommen sehen.«
Harry nickte mir zu. »Schauen wir mal bei Uwe Müller nach?«
»Sicher.«
»Und was ist sonst?«, fragte Walter.
Harry winkte ab. »Es ist am besten, wenn Sie mit Ihrer Frau im Zimmer bleiben und die Tür abschließen. Mehr sage ich nicht. Später vielleicht.«
Dabei blieb es auch, denn wir ließen den Mann stehen und gingen zum Büro des Chefs. Walter Quirin war jetzt nicht wichtig. Wir hofften nur, dass er sich an unseren Rat hielt.
Wieder trafen wir auf Frau Bauer. Sie war bereits im Begriff, Feierabend zu machen, und schulterte gerade ihre Tasche. Etwas verwundert schaute sie uns an, da wir nicht eben elegant aussahen, doch sie enthielt sich eines Kommentars.
»Ist der Chef noch da?«, fragte Harry.
»Ja.«
»Danke.«
Sie trat einen Schritt vor. »Ich glaube, dass er heute Abend noch einen Termin wahrnehmen muss und…«
»Lassen Sie uns das mal regeln.«
»Bitte«, erwiderte sie pikiert. »Wie Sie wollen. Ich jedenfalls mache jetzt Feierabend.«
»Es sei Ihnen gegönnt«, sagte Harry.
Wir betraten das Büro wenig später zum zweiten Mal an diesem Tag. Angeklopft hatten wir. Doch das war überhört worden, denn als wir eintraten, stand Uwe Müller hinter seinem Schreibtisch und telefonierte. Er lachte dabei und wirkte ziemlich aufgeräumt. Erst als er uns sah, verschloss sich sein Gesicht.
Er ließ das Telefon sinken. »Bitte, was wollen Sie?«
»Mit Ihnen reden«, sagte ich.
Er dachte einen Moment nach, beendete sein Gespräch mit den Worten: »Bis später dann!« und stellte das Gerät in die Station.
»Was gibt es denn noch?«, fragte er.
»Ich denke, Sie sollten sich setzen.«
Er sah mich an. »Und dann?«
Harry übernahm das Wort. »Was wir Ihnen zu sagen haben, Herr Müller, ist kein Witz, obwohl es sich so anhört. Es geht hier um die reine Wahrheit.«
»Gut, aber ich habe einen Termin.« Er schaute auf die Uhr, um seine Worte zu unterstreichen.
»Den können Sie vergessen«, erklärte Harry. »Was wir Ihnen zu sagen habe, ist überlebenswichtig. Darum kommen wir nicht herum.«
Herr Müller sagte nichts mehr. Er nahm mit einer steifen Bewegung in seinem Schreibtischsessel Platz.
Diesmal sahen wir kein Lächeln auf seinem Gesicht, und das würde auch in der nächsten Zeit so bleiben…
***
Helga Bauer wusste, dass die Normalität täuschte. In der Residenz bahnte sich etwas an, oder es war bereits geschehen. So genau konnte sie das nicht sagen. Sie hatte es nur gespürt, aber man hatte ihr nichts gesagt. Auf ihre indirekten Fragen hin hatte ihr Chef nur den Kopf geschüttelt und davon gesprochen, dass alles in Ordnung wäre, was sie ihm aber nicht abnahm. Trotzdem hatte sie Feierabend gemacht, doch das böse Gefühl in ihrem Innern war geblieben.
Auf der anderen
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