1563 - Blut-Geschwister
vorbei, hielt dabei seine Pistole in der Hand und zielte in die Höhe. Wenn jemand in der Falltüröffnung auftauchte, würde er sofort schießen.
Aber es zeigte sich niemand. Harry hob meine Pistole auf und warf sie mir zu. Ich schaffte es, sie aufzufangen und festzuhalten und folgte meinem Freund. Es war wirklich nicht viel mehr als ein Kriechen, und dabei hatte ich das Gefühl, meine Brust wäre um die Hälfte verkleinert worden.
Aber ich machte weiter. Und ich war froh, dass Harry Stahl mir den Weg bahnte. Er hatte bereits die Treppe hinter sich gelassen und stand im Wohnraum.
Wenig später hatte auch ich die letzte Stufe hinter mich gebracht. Normalerweise hätte ich jetzt tief durchgeatmet. Davon nahm ich jedoch Abstand, weil ich schon bei den schwachen Atemzügen heftige Schmerzen verspürte.
Harry war schon vorgegangen. Er wartete auf mich zwischen dem eisernen Ofen und der Eingangstür und sprach dabei mit sich selbst.
»Die haben sich hier versteckt gehabt.«
»Du sagst es. Fragt sich nur, wo sie jetzt sind.« Das Sprechen klappte schon wieder.
Ich musste nur mit dem Einatmen vorsichtig sein. Aber auch das würde sich bald geben.
Was hatte Harry abbekommen?
Beim ersten Hinschauen sah es so aus, als hätte nur ich das Pech gehabt.
Aber er bewegte seine linke Schulter recht auffällig und atmete dabei scharf, was auf Schmerzen hindeutete.
»Was ist mit deiner Schulter, Harry?«
»Geprellt.«
»Und?«
»Mach dir keine Gedanken darüber. Indianer kennen keinen Schmerz. Und wenn doch, dann reden sie nicht darüber.«
»Dann ist es ja gut.«
»Und wie geht es dir?«
Ich musste lachen. »Super, bis auf die Atmung. In den Ring würde ich jetzt nicht steigen.«
»Ist auch nicht nötig. Man hat uns eine Pause gegönnt.«
Damit hatte der Deutsche die Sachlage richtig getroffen.
Es gab keine Vampir-Geschwister mehr in der Nähe. Nicht im Haus und auch nicht auf dem Hang, auf den wir schauten.
»Sie sind weg, John!«
Ich nickte und hatte trotzdem meine Zweifel. »Und das bei Tageslicht? Kann ich mir fast nicht vorstellen.«
Harry wies über seine Schulter, wobei er zusammenzuckte, denn sie tat ihm weh.
»Denk an den Wald. Darin ist es ziemlich schummrig. Und strahlenden Sonnenschein haben wir auch nicht. Außerdem sollten wir allmählich davon ausgehen, dass es einige Vampire gibt, die mutiert sind und sogar Tageslicht vertragen, ohne zusammenzubrechen. Ich denke da besonders an deine Freundin Justine Cavallo.«
»Freundin?« Ich lachte. »Die suche ich mir selbst aus.«
»Weiß ich. Aber sie kann sich ja auch bei Tage bewegen.«
»Du sagst es.«
»Und wer weiß, was diese Blut-Geschwister schon alles erreicht haben.«
Da hatte er nicht mal unrecht. Es gab Blutsauger, die sich angepasst hatten, und wahrscheinlich wurden es immer mehr, seit ein gewisser Will Mallmann das Kommando über viele Blutsauger übernommen und sich seine eigene Vampirwelt aufgebaut hatte.
Ich ärgerte mich wahnsinnig darüber, dass wir in diese Falle gestolpert waren, was alles noch komplizierter machte. Wir hatten jetzt das Nachsehen und waren gezwungen, einen Vorsprung aufzuholen, wobei sich die Frage stellte, wie wir das schaffen sollten.
Wenn die beiden Blutsauger tatsächlich im Wald verschwunden waren, hatten sie alle Chancen auf ihrer Seite, das stand fest.
Wir konnten nicht allein den ganzen Wald durchsuchen.
»Sag was, John.«
»Wir gehen nicht in den Wald.«
»Das hört sich schon mal gut an. Und ich denke, dass wir auch nicht hier auf sie warten werden.«
»Genau. Ich gehe davon aus, dass sie gespürt haben, was mit uns los ist. Dass wir nicht so leicht zu überwinden sind. Wäre es anders, dann hätten sie auf uns gelauert, um unser Blut zu trinken. So aber liegen die Dinge anders.«
»Wie denn?«
»Keine genaue Ahnung, Harry. Aber wir sollten davon ausgehen, dass sie Blut brauchen.«
»Das ohne Zweifel.« Harry bekam plötzlich einen starren Blick. »Da gibt es doch eigentlich nur eine Möglichkeit, wenn ich mir das richtig überlege.«
»Die Residenz«, sagte ich.
»Genau, John.«
»Wobei wir auch an die Dörfer in der weiteren Umgebung denken müssen. Auch in ihnen leben Menschen.«
»Stimmt alles, John. Ich gehe nur davon aus, dass sie mehr zur Residenz hin tendieren. Dorthin haben sie auch diesen Boris zurückgeschickt, nachdem sie ihn leer getrunken haben. Ich könnte mir vorstellen, dass er ihnen den Weg ebnen sollte.« Er schaute mir in die Augen. »Und ob sie vom Tod ihres
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