1563 - Blut-Geschwister
Artgenossen wissen, steht in den Sternen.«
»Ja, das kann sein.« Ähnliche Gedankenspiele hatte ich auch schon hinter mir.
Die Sonne hielt sich hinter grauen Wolkenbergen versteckt, deshalb sah der Wald schon ziemlich dunkel aus. »Und, John?«
Ich winkte ab. »Gehen wir.«
»Okay, die Residenz wartet…«
***
Leon hatte sich in den Keller stürzen wollen, um den beiden Männern das Blut auszusaugen. Seiner Schwester war es im letzten Moment gelungen, ihn zurückzuhalten.
»Nur das nicht!«
»Warum nicht?«
»Hast du es nicht gespürt?«
»Nein, was?«
»Die tödliche Gefahr. Ich habe sie gespürt. Einer trägt eine Waffe bei sich, die uns vernichten kann. Und das war keine Einbildung, Leon.«
Leon ließ sich von seiner Schwester zurückziehen, nachdem er einen Blick durch die Falltür nach unten geworfen hatte. Die Gier nach Menschenblut loderte wie eine Flamme in ihm auf. Er war von Zweifeln erfüllt. Er starrte seine Schwester an, und er sah dabei den ernsten Ausdruck in ihren Augen.
»Gut, dann…«
»Wir gehen!«
Wieder hatte er einen Einwand. »Es ist noch nicht dunkel.«
»Aber im Wald ist es finster.«
Da sagte Leon nichts mehr. Außerdem kannte er seine Schwester. Lena hatte einen untrüglichen Instinkt für Gefahren. Das hatte sie schon öfter bewiesen, er konnte sich darauf verlassen. Also stimmte er zu.
Sie hörten aus dem Keller Geräusche. Zwei mit wunderbarem Blut gefüllte Menschen, aber da gab es auch Lenas Instinkt, der ihnen riet, sehr auf der Hut zu sein.
»Alles klar, Bruder?«
»Ja, wir gehen.«
Die Tür stand offen. Sie mussten nur das Haus verlassen und traten automatisch in das Tageslicht, das nicht mehr so hell war wie am Mittag.
Dennoch erfasste sie eine Schwäche. Es fiel ihnen schwer, sich schnell zu bewegen.
Sie krochen förmlich voran, und sie hatten Mühe, ihre Füße zu heben.
Aber da war noch ihr Wille, der sie einer Peitsche gleich weiter trieb.
Sie taumelten in den Wald hinein, der von Nadelhölzern gebildet wurde und erreichten eine Stelle, die so etwas wie eine Mulde bildete, in der sie sich verkriechen konnten, um dort den Einbruch der Dunkelheit abzuwarten.
Sie legten sich auf den Boden. Beide fühlten die Schwäche in ihren Körpern, aber beide wussten auch, dass sie nicht für immer anhalten würde. Schon bald würde die Sonne untergehen, und dann kam ihre Zeit.
Sie drehten sich so, dass sie sich in die Gesichter schauten. Lena legte ihre Hände auf die Wangen ihres Bruders, und er tat das Gleiche bei ihr.
»Wir bleiben immer zusammen!«, flüsterte Lena.
»Ja, niemand wird uns trennen.«
»Versprochen?«
»Versprochen!«
Danach küssten sie sich…
***
»Kannst du mit deiner Schulter denn fahren, Harry?«
»Verflixt, das hast du mich nun schon zum zweiten Mal gefragt.«
»Zu Recht, denn ich habe dich beide Male stöhnen hören.«
»Wir fahren ja nicht über den Nürburgring.«
»Aber Kurven, bei denen du lenken musst, gibt es hier auch. Denk daran.«
»Ja, und denk du an deine Brust.« Sie schmerzte noch immer. Aber der Druck und die Stiche ließen sich ertragen. Zudem konnte ich wieder fast normal so tief einatmen wie früher. Nur um Harry machte ich mir etwas Sorgen. Sollte es zu einem Kampf gegen die Blutsauger kommen, dann sah es nicht gut für uns aus, wenn einer gehandicapt war. Darüber konnte ich mit Harry aber nicht sprechen. Der hätte mir sonst die Freundschaft gekündigt.
»Ich hoffe nur, dass wir mit unserer Vermutung richtig liegen. Wenn ich daran denke, dass die beiden Blutsauger ein Dorf überfallen…« Er schüttelte den Kopf.
»Nein, daran will ich gar nicht erst denken, sonst drehe ich noch durch.«
»Lass es uns abwarten.«
Wir mussten nur noch ein paar Meter fahren, um den Parkplatz der Residenz zu erreichen.
Auf dem Weg hatten wir bereits einen Plan geschmiedet, in den wir unbedingt den Chef, Uwe Müller, mit einbeziehen wollten. Wir wollten ihm zwar nichts von gefährlichen Blutsaugern erzählen, aber wir mussten ihn davon überzeugen, dass er dafür sorgte, dass die Bewohner in ihren Zimmern blieben und die Gänge und Flure des Hauses praktisch uns beiden allein gehörten.
»Wird nicht leicht sein, Freund Müller zu überzeugen, wenn wir ihm nicht die ganze Wahrheit sagen«, meinte Harry, als wir in die freie Parktasche rollten.
»Ach, das schaffst du schon.«
»He, wieso ich?«
»Es ist dein Land, in dem wir uns befinden.«
»Aha, und du wirst mir nicht helfen?«
Ich grinste beim Aussteigen. »Zur
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