1564 - Report der Unsterblichkeit
Projektion war von so hellem Licht umgeben, daß außer ihr kaum noch etwas zu erkennen war. „Kehre jetzt um oder komm!" blinkte es in giftigem Gelbgrün quer durch den Gang, passend zu einer verzerrten Stimme. „Es ist dies die letzte Möglichkeit. Sieh die rote Linie am Boden.
Wer sie überquert, hat die Entscheidung über sein Schicksal selbst getroffen. Er wird in die Tiefen des Universums schauen - oder in die kalten Augen des Todes."
„Da!" sagte Theta und zeigte auf die blutrot gezogene Linie auf dem hellgrauen Boden des zehn Meter breiten Korridors, etwa zwanzig Meter vor ihnen.
Die Projektion war erloschen. Sie hatte Theta auch nicht gemeint.
Ihr Finger deutete auf die hinter der Linie am Boden liegende Leiche eines Arkoniden.
Von dem ergebnislosen Hinundherwandern schon fast frustriert, wußte Atlan, daß es nun wirklich ernst wurde.
Epetran hatte, entgegen seiner ersten Ankündigung, doch noch einmal eine Warnung gegeben. Dies paßte zu dem Bild, das Atlan von ihm hatte. Derjenige, dessen Leichnam dort hinter der Linie lag, hatte sie allem Anschein nach nicht verstanden, nachdem die erste Aufforderung zur Umkehr nicht gleich mit dem Schicksal beantwortet worden war, das ein Glücksritter berufsmäßig in Kauf nahm. „Ich gehe voran", verkündete der ehemalige Kristallprinz. „Ein Robot begleitet mich. Die anderen kommen einzeln nach, sobald ich die Linie überschritten habe und ein Zeichen gebe."
„Sei vorsichtig", bat Theta.
Atlan holte tief Luft und ging.
Was er spürte, war nicht mehr als ein schwaches Kribbeln im Kopf. Er blieb stehen, die Füße mitten auf der roten Linie, und wartete, bis es abklang.
Dann erst ging er weiter und hörte die Stimme Epetrans, jetzt wieder mit ihrem normalen Klang. „Sei willkommen, Berechtigter. Benutze den Raum, dessen Tür sich für dich öffnen wird, und beginne mit deiner Arbeit.
Dort erfahrst du alles, was du dazu wissen mußt."
Das war endlich der erste brauchbare Hinweis, doch im Moment hatte Atlan anderes zu tun, als ihm sofort zu folgen - sosehr es ihn auch dahin zog.
Er machte seinen Begleitern ein Zeichen, daß sie noch zurückbleiben sollten. Dann beugte er sich über den Toten und drehte ihn so, daß er das Gesicht sehen konnte.
Es war grau und eingefallen, mit weit aufgerissenen Augen.
Aus ihnen sprach der nackte Wahnsinn.
Atlan schätzte, daß der Arkonide seit höchstens zehn Tagen hier lag. Der Mann war im besten Alter gestorben. Er machte nicht den Eindruck eines Gelehrten, der hierhergekommen war, um in Epetrans Sinn zu arbeiten. Ohne überheblich sein zu wollen, konnte Atlan sich auch nicht vorstellen, es mit einer ehemaligen Geistesleuchte zu tun zu haben. Dieser Kerl roch formlich nach Abenteurer, wie sie wahrscheinlich von Garvan eingesetzt worden waren, um für ihn die Fallensysteme des Archivs auszutesten.
Atlan fand in einer Tasche des Toten eine Uhr, die mit dem Datum des
22.
Novembers 1172 NGZ stehengeblieben war.
Fettspuren von Fingern deuteten darauf hin, daß der Arkonide sie selbst desaktiviert hatte, denn gleich neben dem „Aus"- Sensor befand sich an dem Multifunktionsgerät die Kontaktfläche für automatischen Notruf.
Der Eindringling mußte das richtige Feld verfehlt haben, als er in Todesangst versuchte, nach Hilfe zu rufen -von woher auch immer.
Atlan richtete sich auf und gab Kassian als erstem das Zeichen, bevor er den Roboter instruierte, den Toten aufzuheben.
Bis heute vier Tote...
Dieser hier konnte nicht zu ihnen gehören. Atlan machte sich auf noch grauenvollere Entdeckungen gefaßt.
Kassian zögerte nur kurz, ehe er die rote Markierung überschritt. Dennoch hielt Atlan den Atem an, bis der Werfterbe bei ihm war. Wieder entstand die Stimme Epetrans und begrüßte Kassian auf die gleiche Weise wie Atlan.
Kassian schüttelte heftig den Kopf und stieß pfeifend die Luft aus. „Als ob mir jemand tausend Käfer ins Gehirn gesetzt hätte", drückte er kurz und blumig aus, was auch Atlan gefühlt hatte.
Er sah sich den Toten an. „Was ist mit ihm?"
Atlan winkte Theta heran. Zu Kassian sagte er: „Ein Mitwisser vermutlich. Einer von Garvans Komplizen, der irgendwie erfahren hatte, wie man hierhergelangt, und nach Garvans Tod selbst an die Wissensschätze heranwollte."
Theta blieb kurz vor der roten Linie stehen. Sie sah Atlan an, und der spürte, wie plötzlich sein Herz schneller schlug.
Wenn sie nun ...
Theta von Ariga lachte und nahm die Barriere mit einem weiten Sprung über die
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