1564 - Wenn die Toten sprechen
zwei leere Bänke standen, und betraten dann ein Großraumbüro, in dem es ruhig zuging.
Auch das war ein großer Unterscheid zu vielen anderen Revieren in der Stadt.
Ich sah auch meist ältere Kollegen, die hier Dienst taten.
Man hatte uns gesehen und dem Chef Bescheid gegeben. Er stand im Range eins Chiefinspektors. Auf seiner Uniform sahen wir nicht ein Stäubchen. Seine roten Haare waren im Laufe der Zeit grau geworden, aber ein rötlicher Schimmer war noch geblieben. Er hieß Frank Taylor, und sein Händedruck war kräftig.
»Na, sind Sie geflogen?«
»Das nicht«, sagte Suko, »aber der Verkehr hielt sich in Grenzen.«
»Was selten genug ist.«
»Sie sagen es, Mr. Taylor.«
»Dann denke ich, sollten wir uns die beiden Zeugen mal anschauen. Ich kenne sie ja schon, Sie noch nicht.«
»Und wie ist Ihr Eindruck?«, fragte ich.
»Ich halte Silke und Mike Hartmann für völlig unverdächtig. Sie sind ohne ihr eigenes Zutun in diese Sache hineingeraten und haben natürlich einen nicht gelinden Schock erlitten. Der machte sich erst richtig bemerkbar, als wir schon am Tatort waren. Aber inzwischen geht es wieder, glaube ich.«
»Wo sind die beiden?« Suko drehte sich dabei auf der Stelle.
»Kommen Sie mit.«
»Danke.«
Die anderen Kollegen nickten uns von ihren Schreibtischen aus zu, an denen sie saßen. Es gab in diesem Bereich noch einige Nebenräume, in denen man Ruhe hatte und Verdächtige verhören konnte.
Das junge Paar wartete in einem Raum, der mich an ein Wartezimmer erinnerte. Nicht eben für Patienten der ersten Klasse. Aber es gab einen Tisch und auch genügend Stühle. Das Fenster allerdings war vergittert. Wer durch die Lücken der Stäbe schaute, sah den Rasen auf der Rückseite des Gebäudes.
Beide Hartmanns saßen am Tisch. Sie hatten Tassen mit Tee vor sich stehen und schauten uns mit unsicheren Blicken an, als wir den Raum betraten.
Ich hatte im Laufe der Zeit einiges an Menschenkenntnis sammeln können. Schon beim ersten Hinsehen war mir klar, dass die beiden Deutschen völlig harmlose Menschen waren, die nur durch unglückselige Umstände in diesen Fall hineingeraten waren.
Frank Taylor stellte uns vor, und wir hofften, dass unser Lächeln sie aufheiterte. Auf Suko blieben ihre Blicke ein wenig länger haften. Einen Chinesen als Yard-Beamten zu sehen, das war ihnen wohl neu.
»Soll ich Ihnen auch etwas zu trinken kommen lassen?«, erkundigte sich der Kollege.
Wir lehnten beide ab. Dafür nahmen wir unsere Plätze ein.
Ich wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen und fragte: »Geht es Ihnen inzwischen wieder besser?«
Die Hartmanns nickten.
»Dann können wir Ihnen also einige Fragen stellen?«
»Ja«, flüsterte Silke.
Ich lächelte ihr zu. »Gehen Sie mal davon aus, dass wir so gut wie gar nichts wissen, und fangen Sie ruhig ganz von vorn an. Weshalb Sie nach London gekommen sind und warum Sie gerade in diesem kirchlichen Hotel abgestiegen sind.«
»Das war eine Frage des Geldes«, sagte Mike Hartmann. »Außerdem sind wir auch in Deutschland in der Kirche engagiert.«
»Gut, dann weiter.«
Sie wechselten sich ab. Wir hörten ihnen genau zu und erfuhren von den schlimmen Schreien, die sie aufgeschreckt hatten. Danach hatte sich alles wie von selbst ergeben. Sie hatten vor Angst das Haus verlassen wollen, waren nach unten gegangen und dort dem Mädchen begegnet, das plötzlich für uns einen Namen hatte. Sie hieß Maria, wie man uns sagte. Dann hatten sie die Tote auf dem Tisch liegen sehen.
»Und was können Sie uns noch über Maria sagen?«, erkundigte ich mich.
»Nicht viel.« Diesmal sprach Silke. Sie schaute dabei auf ihre Hände, die gefaltet auf ihrem Schoß lagen. »Wir wissen nur, dass sie in diesem Hotel gewohnt hat, das von Edith Butler geleitet wurde. Woher sie kam, ist uns unbekannt.«
»Außerdem haben wir so gut wie nicht mit ihr gesprochen«, fügte Mike noch hinzu.
»Aber Sie können uns eine Beschreibung geben?«, fragte Suko.
Beide schauten sich an. Dann nickten sie. Und es war Silke, die uns Maria beschrieb. Sie war kein Kind mehr, hatte gesagt, dass sie Jahre alt sei. Silke kam auch auf das Gesicht zu sprechen, dessen leicht gebräunte Haut durch das Schwarz der Haare besonders hervortrat.
Dann lachte sie plötzlich.
»Was ist?«, fragte ich.
Silke legte die linke Hand vor ihren Mund.
»Bitte, reden Sie!«
»Ja, aber es ist komisch, und vielleicht lachen Sie mich auch aus. Aber ich habe wirklich daran gedacht.«
»Dann sagen Sie
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