1564 - Wenn die Toten sprechen
Liste gesetzt. Du hättest nicht weglaufen dürfen, verstehst du? Du warst ihm schon so nahe, aber dann bist du geflohen, weil die andere Seite in dir stärker war. Und deshalb ist es jetzt vorbei mit dir. Du bist schon tot, obwohl du noch atmest.«
»Ja, das glaube ich dir.«
»Und deshalb bereite dich auf dein Sterben vor. Hier und jetzt. Du wirst zu den Toten gehen und dabei endgültig von dieser Welt verschwinden, und wir sind hier, um das zu besorgen.«
Bisher hatte nur einer gesprochen. Der Zweite hatte gewartet, und er überließ auch jetzt seinem Kumpan den Vortritt, der sein Sichtvisier nicht hochklappte, als er den ersten Schritt auf Maria zuging und die Distanz verkürzte.
Den rechten Arm hob er an.
Jetzt sah Maria das Messer deutlicher.
Die Spitze wies auf ihre Brust.
Maria bekam einen trockenen Mund. Plötzlich quälte sie die Angst. Sie schnürte ihren Körper zusammen. Sie hatte plötzlich das Gefühl, gefesselt zu sein, und sie kam sich so klein vor im Vergleich zu der in Leder gekleideten Gestalt.
In diesem Outfit wirkte sie wie der perfekte Todesbote. Und die Klinge tat ihr Übriges.
Lange durfte Maria nicht mehr warten. Bisher hatte sich der Mann nur langsam bewegt, doch das konnte sich ändern. Die Distanz zwischen ihnen war nicht groß. Ein schneller Sprung, ein blitzartiger Stoß, und es war vorbei mit ihr.
Er ging noch einen Schritt.
Marias Hand spürte das Kreuz.
Plötzlich war die Sicherheit da. Sie fasste ein riesiges Vertrauen zu diesem wunderbaren Gegenstand.
Genau in diesem Augenblick sprang der Killer vor.
Maria riss das Kreuz hervor. Sie wich schnell zurück und hielt es dem Angreifer entgegen…
***
Maria Conti hatte sich durch diese Aktion in eine Allesodernichts-Lage gebracht. Entweder klappte es - oder sie war tot.
Sie dachte auch nicht mehr nach, sie war zu einem Roboter geworden, und sie sah die schwarze Gestalt wie durch einen dünnen, zittrigen Vorhang.
Der Kerl schrie!
Unter dem Helm hörte sich der Schrei nicht so laut an, wie er tatsächlich war. Es war mehr ein Kreischen, und der heftige Drang nach vorn wurde augenblicklich gestoppt.
Er blieb stehen und schüttelte so heftig den Kopf, dass sogar der Helm in eine leicht schiefe Position rutschte. Er taumelte zurück und kreischte noch immer.
Das Kreuz reagierte nicht. Es ragte nur aus Marias Faust hervor, das war alles.
Und auch den zweiten Typ hatte es irgendwie erwischt. Er duckte sich.
Es konnte sein, dass auch er einen Schrei ausstieß, aber so sicher war sich Maria nicht.
Nur hatte sie plötzlich ihre eigene Sicherheit zurückgewonnen.
Sie musste nicht lange nachdenken, um zu wissen, dass die Gestalt im Lederanzug Furcht verspürte. Sie war völlig von der Rolle. Unter dem Helm und hinter dem Visier tobten die Schreie, und Maria hörte sogar bei dieser Dämpfung den Hass hervor.
Durch sein Zurückweichen vergrößerte er die Distanz zwischen sich und der jungen Frau.
Maria lachte, ohne es zu wollen. Sie hatte das Gefühl, als stünden die Helfer aus dem Reich der Toten dicht neben ihr.
Das Kreuz war der Sieger!
Es würde immer der Sieger bleiben.
Es gab Zeiten, da hatte sie zusammen mit den Mitschwestern im Kloster auf das Kreuz gesetzt. Dann war sie geraubt worden, und sie hatte erleben müssen, wie jemand das Kreuz hasste.
Das sah sie jetzt wieder.
Aber sie vertraute auf seine Stärke, was sie auch konnte, denn der Killer wich noch weiter zurück. Er schaute nicht nach hinten, stieß gegen einen alten Grabstein und warf einen kurzen Blick zu seinem Kumpan hin, der noch breitbeinig und geduckt auf der Stelle stand. Er wirkte wie jemand, der auf dem Sprung war und sich in der nächsten Sekunde abstoßen würde.
Noch wartete er.
Der andere riss sein Visier hoch. Maria sah zum ersten Mal sein Gesicht.
Und sie erlebte eine Überraschung, denn es war keine Fratze, die in die Hölle gehörte. Es war das Gesicht eines Menschen, vor Wut rot angelaufen und hassverzerrt, was darauf hindeutete, dass er morden wollte.
»Es ist noch nicht vorbei, Maria. Noch lange nicht. Wir sitzen am längeren Hebel.«
Die Worte waren jetzt besser zu verstehen, weil kein Visier sie dämpfte.
Er schwitzte. In seinem Kopf musste es nur schlimme Gedanken geben.
»Niemand kann das Kreuz besiegen! Ich weiß es jetzt. Und auch du wirst es nicht schaffen. Nie ist die Hölle stärker. Niemals wird sie es sein, obwohl sie es immer und immer wieder versucht. Das kann ich dir schwören.«
Der Killer glaubte ihr nicht.
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