1572 - Das Ritual
beging.
Was tat er?
Er griff nicht an. Er schauderte nicht mal zusammen. Er grinste nur wie ein Clown und auch bösartig. Er ließ seine Zunge aus dem Mund schnellen und zog sie ebenso rasch wieder zurück.
Ich versuchte, das Lächerliche an ihm zu vergessen, und sprach ihn endlich an.
»Dein Weg ist hier zu Ende, Lambert. Du schaffst es nicht mehr, vollkommen zu werden. Kein Mensch kann die Vollkommenheit erreichen, weil er eigentlich schon vollkommen ist, so wie ihn sein Schöpfer geschaffen hat. Vollkommen mit allen seinen Vorteilen und allen seinen Fehlern, und deshalb ist es eine Farce, was du da vorhast. Es wird dir niemals gelingen, das weiß ich genau.«
Er schrie mich an. Was er genau sagte, verstand ich nicht. Außerdem überschlug sich seine Stimme noch, und er stierte mich an, als wollte er mich fressen.
»Dämonen sind ein Volk für sich«, erklärte ich. »Niemals dulden sie Menschen neben sich. Sie bleiben für sich, sie werden, wenn sie sich mit Menschen beschäftigen, sie ausschließlich für ihre Zwecke benutzen. Sie spielen mit ihnen, und wenn die Menschen versagen, dann werden sie brutal vernichtet.«
»Nein!«, brüllte Lambert mich an. »Nicht mich! Ich bin anders! Ich bin auf dem Weg zur Vollkommenheit. Ich stehe unter ihrem Schutz. Sie haben mich geprägt. Schau mich an, du verfluchter Hundesohn. Schau mir ins Gesicht. Nicht der Mann ist vollkommen und auch nicht die Frau. Beide zusammen aber bilden eine Einheit, die alles andere auf der Welt übertrifft. Ich bin auf dem Weg dahin. Ich brauche nur noch drei Opfer, um vollkommen zu werden.«
»Es wird dir nicht gelingen.«
Er lachte plötzlich und bewegte seinen hässlichen Schädel so heftig, als wollte er ihn von seinen Schultern schleudern. Dann wuchtete er sich zur Seite und packte einen seiner Jünger, der ihm am nächsten stand. Es war der Kleinste unter ihnen, und ich sah, welche Kraft in Lambert steckte. Er riss den Mann in die Höhe. Er schwang ihn sogar über seinen Kopf hinweg und rannte mit ihm auf mich zu.
Ich duckte mich.
Meine Reaktion erfolgte für einen Moment zu spät, da war das menschliche Wurfgeschoss bereits unterwegs. Die Arme brachte ich noch in die Höhe, das war aber auch alles.
Einen Moment später traf mich der Körper und riss mich von den Beinen.
Zum Glück war der Untergrund weich, auf den ich fiel. Irgendwas traf mich noch am Kopf, aber der junge Mann landete nicht auf mir. Er hatte so viel Schwung, dass er eine Körperlänge von mir entfernt auf den Boden klatschte.
Ich rappelte mich wieder hoch.
Es hatte sich nicht viel verändert. Die beiden anderen jungen Männer standen noch immer im Wasser. In ihren Gesichtern lag ein leerer Ausdruck, als wären sie keine Menschen mehr, sondern künstliche Geschöpfe. Zombies, die darauf warteten, einen Befehl zu erhalten.
Lambert sah ich nicht.
Aber er war zu hören.
Seine schrille Stimme hallte mir aus der Hütte entgegen. Was er rief, war nicht zu verstehen, aber er tobte herum und war in seiner eigenen Welt gefangen.
Ich war natürlich froh, dass er nicht die Flucht angetreten hatte. So konnte ich ihn mir schnappen. Um den Mahn, der mich zu Boden gerissen hatte, kümmerte ich mich nicht. Ich wollte Lambert.
Auf dem Weg zur Hütte ließ ich mir Zeit.
Ich blieb dann am Eingang stehen, um mir ein erstes Bild zu machen. Ja, er war da, und er war in seinem Element oder wie immer man das nennen konnte.
Ich hatte eigentlich mit einem Angriff gerechnet, doch Lambert beachtete mich nicht einmal. Er hatte etwas anderes, um das er sich kümmerte und das offenbar sehr wichtig für ihn war.
Er stand vor einem Standspiegel, trat dabei von einem Bein auf das andere und kam mir vor wie Rumpelstilzchen.
Dabei schnitt er Grimassen, als er sich im Spiegel anschaute. Er wackelte mit dem Kopf, er streckte die Hände dem Spiegel entgegen, als wollte er sich selbst anfassen, obwohl es mir mehr vorkam, als würde er um Hilfe flehen.
Es war ein Schauspiel, das ich nicht richtig verstand. Für ihn würde es jedoch einen Sinn haben.
Ich duckte mich und trat durch die schmale Tür in die Hütte.
Lambert hatte mich nicht gesehen. Er sprach immer noch in den Spiegel hinein, und ich wusste beim besten Willen nicht, wen er damit meinte.
Ob sich selbst oder andere Personen, die allerdings nicht zu sehen waren. Der Spiegel gab einzig und allein sein Bild wieder.
»Lambert!«
Er hörte nicht.
Ich sprach seinen Namen lauter aus, und jetzt wirbelte er herum, um mich
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